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08.03.24, 17:50
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das Muster ist das Muster
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Ermittlungen gegen RAF-Rentner: Kalaschnikow im Kleiderschrank,Munition in Tupperdose
Zitat:
Ermittlungen gegen RAF-Rentner: Kalaschnikow im Kleiderschrank, Munition in Tupperdosen
In der Wohnung der Ex-Terroristin Daniela Klette haben Ermittler eine Pistole aus einem Raub vor 40 Jahren gefunden. Werden jetzt die Geheimnisse der RAF gelüftet? Der SPIEGEL-Report.
Vier Tage nachdem Daniela Klette festgenommen worden war, durchsuchten Kriminaltechniker erneut ihre Einzimmerwohnung im fünften Stock eines Mietshauses in Berlin-Kreuzberg. Polizisten hatten bereits eine Panzerfaust samt Gefechtskopf in der rumpeligen Wohnung entdeckt. In Klettes Kleiderschrank fanden sie ein Kalaschnikow-Schnellfeuergewehr, in Tupperdosen lagerte scharfe Munition.
Nun stießen die Beamten auf ein Versteck in der rund 40 Quadratmeter großen Sozialwohnung: einen Holzschrank mit einem doppelten Boden. Dort bunkerte die mutmaßliche Ex-RAF-Terroristin um die 40.000 Euro Bargeld sowie eine Pistole mit zwei gefüllten Magazinen. In einem anderen Möbel hatte Klette 1,2 Kilo Gold versteckt.
Störsender, Handys, Ausweise
In zwei Koffern, die Kriminaltechniker erst für Sprengsätze hielten, fanden sich ein Störsender, etliche Handys und Ausweise, eine Sturmhaube sowie »diverse Unterlagen mit RAF-Bezug«, wie die Beamten notierten. Auf einem italienischen Ausweis trug Klette den Namen »Claudia Bernadi«, geboren am 12. November 1963.
Für die Ermittler könnte es ein Durchbruch sein. Nach Jahren der Zielfahndung, nach öffentlichen Zeugenaufrufen und vielen Fehlschlägen haben sie nicht nur die mutmaßliche Räuberin und Ex-Terroristin gefasst. Sie sind auch auf Hinweise gestoßen, die es möglich erscheinen lassen, einige der letzten Geheimnisse der »Roten Armee Fraktion« (RAF) doch noch zu lüften.
Mindestens eine Waffe, die in Klettes Wohnung versteckt war, stammt nach Erkenntnissen der Ermittler aus einem spektakulären RAF-Überfall auf ein Waffengeschäft im November 1984. Die Neun-Millimeter-Pistole Marke Heckler & Koch stand seit vier Jahrzehnten auf der Suchliste der Terrorermittler.
Damals hatten zwei RAF-Mitglieder im pfälzischen Maxdorf den Inhaber der Waffenhandlung Walla überwältigt und 22 Handfeuerwaffen, zwei Repetierflinten sowie rund 2800 Schuss Munition geraubt. Die Beute – etwa 70 Kilo schwer und 25.000 Mark wert – hatten sie in einen VW-Golf geladen, den sie auf einen falschen Namen gemietet hatten. Die beiden RAF-Mitglieder sind bis heute nicht eindeutig identifiziert.
Mit den Waffen deckte sich die sogenannte dritte Generation der RAF ein. Dazu zählen die zur Wendezeit untergetauchten Daniela Klette und Volker Staub und nach Überzeugung der Ermittler auch Burkhard Garweg. Staub war bereits in den Achtzigerjahren wegen RAF-Mitgliedschaft verurteilt worden, für Klette und Garweg gilt die Unschuldsvermutung.
Teile des geraubten Arsenals tauchten später wieder auf. Drei Waffen lagen, versteckt in einem Karton mit Strickwolle, in einer konspirativen RAF-Wohnung in Offenbach. Zwei weitere wurden bei Führungsmitgliedern der französischen Terrororganisation »Action Directe« gefunden. Und als Fahnder im August 1986 in einer Rüsselsheimer Eisdiele die RAF-Terroristin Eva Haule festnahmen, trug sie eine SIG-Sauer P 226 bei sich, die in Maxdorf geraubt worden war.
Tödliche Schüsse in Bad Kleinen
Die RAF-Mitglieder Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams waren mit Walla-Pistolen ausgerüstet, als die GSG9 sie im Juli 1993 am Bahnhof von Bad Kleinen stellte. Bei Hogefeld, die sich widerstandslos festnehmen ließ, wurde eine Pistole FN, Modell High Power, sichergestellt. Grams zog eine Pistole des Typs Brünner 75 und erschoss den jungen Polizisten Michael Newrzella, bevor er sich selbst tötete.
Viele der in Maxdorf erbeuteten Waffen blieben jedoch verschwunden. Bis vier Jahrzehnte später das Versteck von Daniela Klette aufflog.
Die Spur der dort entdeckten Heckler-und-Koch-Pistole führt zurück ins Dunkel der dritten Generation der RAF. Über deren Mitgliederzahl und Kommandostruktur rätseln Fachleute bis heute. Viele ihrer Taten sind ungeklärt – allen voran der Sprengstoffanschlag auf den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, und die Erschießung des Treuhandchefs Detlev Karsten Rohwedder.
Daniela Klette könnte zahlreiche offene Fragen beantworten – wenn sie denn wollte. Und Ermittler der niedersächsischen und der Berliner Polizei sowie des Bundeskriminalamts (BKA) suchen unter Hochdruck ihre beiden Komplizen.
Bei der Durchsuchung von Klettes Wohnung in Berlin-Kreuzberg zeigte sich schnell, dass zumindest sie und Garweg bis zuletzt in Kontakt standen. Sie tauschten offenbar über eine Chatgruppe Hundebilder aus, Garweg trug darin den Namen »Martin«. Sein Handy war bis zum Tag von Klettes Festnahme aktiv.
Die Fahnder entdeckten aktuelle Digitalfotos von Garweg bei Klette, teils stammen sie aus diesem Jahr. Sie deuten auf ein eher tristes Leben im Untergrund hin. Auf einem sitzt Garweg auf einem abgewetzten Sofa und isst Spirellinudeln mit Tomatensoße, neben ihm zwei Hunde. Laut einem anderen Bild besuchte Garweg wohl den Liepnitzsee nördlich von Berlin, ein beliebtes Ausflugsziel.
Die heißeste Spur führte die Polizei zur linksalternativen Bauwagenkolonie »Fips« am Markgrafendamm in Berlin-Friedrichshain. Auf dem Areal in der Nähe der S-Bahn-Gleise am Ostkreuz wohnen und werkeln Künstler, Aussteiger und Punks, um die Ecke ist in einem Bretterverschlag eine Bar untergebracht. Auf einem Plakat am Eingang des Wagenplatzes prangt ein Plakat: »Klimaschutz heißt eat the rich.«
In die Kolonie, so erfuhren die Fahnder, ließ sich Garweg Amazon-Pakete schicken. Rasch stellte sich heraus, dass der mutmaßliche Ex-RAF-Terrorist zumindest zwischenzeitlich einen der Bauwagen bewohnt haben soll. Auf dem Gelände war er unter seinem Tarnnamen »Martin« bekannt. Zeugen sollen Garweg nur wenige Tage vor Klettes Festnahme noch auf dem Bauwagenplatz gesehen haben.
Als Spezialkräfte der Polizei am Sonntagmorgen das Areal am Markgrafendamm stürmten, war Garweg verschwunden. Ein Polizeihund nahm Witterung auf, am Bahnhof Ostkreuz verlor sich die Fährte. Das THW rückte mit schwerem Gerät an und schleppte zur Spurensicherung den grauen Wohncontainer ab, in dem Garweg gehaust haben soll, die Fenster waren mit Holzlatten verrammelt
Razzia auf dem Bauwagenplatz
Die Bewohner und Bewohnerinnen des Bauwagenplatzes ließen per Pressemitteilung wissen, von der Razzia völlig überrascht worden zu sein. Niemand habe den echten Namen des Gesuchten gekannt – oder gewusst, dass gegen ihn ermittelt wird. Nach Überzeugung der Fahnder soll jedoch mindestens ein Bewohner der Kolonie gewusst haben, dass es sich bei »Martin« um das mutmaßliche Ex-RAF-Mitglied Burkhard Garweg handelt.
Inzwischen scheint festzustehen, dass sich Garweg häufig in der Gegend aufhielt. Eine Straße weiter, 200 Meter entfernt von einem BKA-Standort an der Rummelsburger Bucht, soll er öfter eine 80 Jahre alte Dame besucht haben.
Bewohner des grauen Mehrfamilienhauses berichten, Garweg habe sich um die alleinstehende Frau gekümmert und sei für sie einkaufen gegangen. Er habe auch einen Wohnungsschlüssel gehabt, als sie mal im Krankenhaus war. Die Ermittler gehen davon aus, dass Garweg die Seniorin mit Arzneimitteln versorgte. Ob er für seine Hilfsdienste Geld bekam, ist nicht bekannt.
Kontakt im Treppenhaus
Ein Nachbarpaar erzählt, Garweg mal im Treppenhaus getroffen und ihn inzwischen auf den Fahndungsfotos wiedererkannt zu haben. »Da fühlt man sich wie in einem Hollywoodfilm«, sagt der Mann. Seine Frau sagt über die alte Dame von nebenan: »Sie hatte damit nichts zu tun, da bin ich mir sicher.«
Die Seniorin will nichts sagen, als der SPIEGEL sie in dieser Woche aufsucht. Ein Handwerker repariert gerade ihre von der Polizei aufgebrochene Wohnungstür. »Ne, also, ick gebe kein Interview«, sagt sie.
An einer anderen Ecke von Friedrichshain rückte die Polizei mit einem gepanzerten Fahrzeug an. Sie durchsuchte eine Wohnung inmitten des Simon-Dach-Kiezes, einer auch bei Touristen beliebten Ausgehmeile mit vielen Bars und Kneipen.
Man nannte ihn »Martin Becker«
Die Ermittler hatten Hinweise bekommen, dass dort die langjährige Freundin Garwegs lebt. Aus ihrem Umfeld hieß es, die beiden seien rund 15 Jahre zusammen gewesen, inzwischen habe die Frau Angst vor ihm. In ihrer Familie kannten sie den Freund offenbar nur unter dem Namen »Martin Becker«.
Während der Razzia rottete sich auf der Straße ein kleiner Pulk aus dem Viertel zusammen, viele offenbar aus der linken Szene. »Alle Bullen raus aus dem Kiez«, skandierte er. Und: »Freiheit für alle politischen Gefangenen«.
In der Nacht auf Dienstag durchsuchten Spezialkräfte ein Studentenwohnheim mit 21 Etagen am Franz-Mehring-Platz. Hier brach die Polizei im dritten Stock eine Wohnungstür auf, auf der Suche nach den Flüchtigen. Auch hier: ohne Erfolg.
Die Staatsanwaltschaft Verden hat Garweg aufgefordert, sich zu stellen. Die niedersächsischen Strafverfolger werfen dem Trio mindestens sechs Raubüberfälle auf Geldtransporter und Supermärkte von 1999 bis 2016 vor. Garwegs Legende sei aufgeflogen, er sei nach den Durchsuchungen in Berlin »richtig auf der Flucht«, sagte Oberstaatsanwalt Koray Freudenberg. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt aufzugeben: »Er soll sich an die nächste Polizeistation wenden. An einer Eskalation hat niemand Interesse.«
Doch erst mal geht die Suche nach den Untergetauchten weiter. Der Chef des niedersächsischen Landeskriminalamts, Friedo de Vries, befürchtet inzwischen, dass Garweg sich ins europäische Ausland abgesetzt haben könnte. Zu Staub führt bislang offenbar keine heiße Spur.
Linksradikale beklagen »Menschenjagd«
Im Netz formierten sich derweil Unterstützer. Auf einer linksradikalen Plattform verkündeten sie anonym: »Wir möchten dieser Menschenjagd etwas entgegensetzen und unsere Solidarität mit Burkhard, Ernst-Volker, Daniela und allen untergetauchten Linken auf dieser Welt zeigen!« Die wahren Terroristen seien »jene, die uniformiert auf unsere Wagenplätze, in unsere Kieze und in die Wohnungen unserer Nachbar:innen eindringen«. Dazu veröffentlichten die Sympathisanten Kennzeichen von Polizeifahrzeugen und Zivilfahndern, die an der Suche nach den RAF-Rentnern beteiligt seien.
Auf eine alte Matratze am Maybachufer, wo Berlin-Kreuzberg in den Stadtteil Neukölln übergeht, sprühten Unbekannte: »Viel Kraft Daniela – und viel Glück Burkhard & Volker!«
Am Donnerstagmorgen flogen die Fahnder Daniela Klette mit dem Hubschrauber nach Karlsruhe. Gegen elf Uhr eröffnete ihr ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof einen Haftbefehl wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an drei Anschlägen der RAF. Der Vorwurf: versuchter Mord und Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion.
Im Februar 1990 parkte ein RAF-Kommando im hessischen Eschborn einen VW Golf in der Einfahrt eines Gebäudes der Deutschen Bank – mit 45,05 Kilo Sprengstoff im Kofferraum. Hätte die Zündvorrichtung nicht versagt, wären wohl Wachleute getötet worden, glauben die Ermittler.
Ein Jahr später feuerte ein Kommando über den Rhein hinweg mindestens 250 Schüsse auf die US-amerikanische Botschaft in Bonn ab. Im März 1993 sprengten RAF-Terroristen einen Gefängnisneubau im hessischen Weiterstadt. Sie überwältigten das Wachpersonal und zündeten mehrere Bomben. Der Schaden: etwa 120 Millionen Mark.
Es war der letzte Terrorakt der RAF. Bei allen drei Anschlägen fanden die Ermittler am oder in der Nähe des Tatorts Haare einer Frau. Sie stammen von Daniela Klette.
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Die folgenden 2 Mitglieder haben sich bei ziesell bedankt:
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09.03.24, 10:45
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#2
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Newbie
Registriert seit: Oct 2008
Beiträge: 75
Bedankt: 39
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Endlich gefasst !!! Kann ich wieder ruhig schlafen ...
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14.03.24, 12:52
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#3
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Erfahrenes Mitglied
Registriert seit: Feb 2011
Beiträge: 527
Bedankt: 671
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Nicht zu vergessen das "Celler Loch" der Gruppe Albrecht, dessen Nachfahren irgendwo in Brüssel untergetaucht sind.
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