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[Wirtschaft] Ausgebliebene Superkrise

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Ungelesen 23.12.22, 17:52   #1
karfingo
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Standard Ausgebliebene Superkrise

Zitat:
Warum Deutschland 2022 (doch) überlebt hat

Eine Kolumne von Thomas Fricke

Gasnotlagen, tiefste Rezessionen und ein heißer Herbst – wie kommt es, dass keine dieser Prophezeiungen eingetreten ist? Eine Argumentationshilfe für Debatten unterm Baum.
23.12.2022, 13.55 Uhr



Hamburger Einkaufsstraße: Vieles hängt am Konsum. Foto: Christian Charisius / dpa


Es gehört ja zum Ritual, dass es just vor der planmäßig besinnlichen Zeit immer irgendwie besinnungslos stressig wird. Was dann immer wieder die Herausforderung mit sich bringt, binnen weniger Stunden vom Jahresabschluss respektive Weihnachtsgeschäft in feierliche Gelassenheit zu wechseln. Und bekanntlich oft schiefgeht.

Eine Herausforderung, die in diesem Jahr schon dadurch wuchtiger wird, dass im Advent nicht nur Geschenke zu suchen und Abschlüsse zu machen waren, sondern Monate nachwirken, in denen das Land minütlich in Alarmzustand schien: weil ein Krieg zu uns zu eskalieren schien, Atomwaffen zumindest gefühlt Berlin zu vernichten drohten, Millionen flüchtende Ukrainer und Ukrainerinnen binnen Wochen aufgenommen wurden – und nach etlichen Prophezeiungen die Wirtschaft vor dem Gas-Kollaps zu stehen schien.

Schon im Sommer wurden wir mental zum Frieren gedrängt, den Auguren zufolge drohten tiefste Rezessionen – und natürlich ein heißer Herbst, bei dem es, hätten wir ein Capitol, zum Sturm auf selbiges hätte kommen können.

Gekommen ist das alles bisher irgendwie nicht – weder Gas-Notlagen, noch soziale Unruhen oder Massenarmut. Trotz zwischenzeitlicher Rekordinflation. Ein Rätsel, das am Heiligen Abend sicher früher oder später thematisiert wird. Hier sind ein paar Fakten, mit denen sie unter Weihnachtsbaum dann brillieren können. Zumindest bis Oma den Eierlikör rausholt (wir verzichten dieses Jahr auf Phantasien über den möglichen Ablauf des Abends).

Nun ist es natürlich immer möglich, dass die Prognosen von vornherein Quatsch waren. Nur: So quatschig waren die gar nicht. Die Leute müssen ja tatsächlich enorm viel mehr für ihre Lebenshaltung ausgeben. Die Gaspreise haben sich an den Finanzmärkten zwischenzeitlich teils verzwanzigfacht. Deutschland muss insgesamt plötzlich eine dreistellige Milliardensumme mehr für Energie aus dem Ausland ausgeben.

Als der Krieg ausbrach, mehrten sich auch die Anzeichen, dass die Unternehmen in Panik ihre Geschäfte stoppten – weshalb in der Situation nach aller Erfahrung mit solchen abrupten Krisenmomenten auch ein sofortiger Gas-Stopp zum Desaster gereicht hätte. In der Chemie-Industrie lag Produktion tatsächlich zuletzt um historisch dramatische 14 Prozent niedriger als zu Jahresanfang. Und es war absehbar, dass die ex.tremen Gas- und Strompreise allmählich an die Verbraucher weitergegeben würden – was über drastische Kaufkraftverluste zum Einbruch des Konsums und zu wütendem Unmut zu führen drohte. Alles keine allzu fern wirkenden Prognosen und Warnungen.

Die Frage ist, warum es über die schon hinreichend schlimme Inflation hinaus nicht zu derartiger Kriseneskalation kam. Warum die deutsche Wirtschaft bis in den Herbst sogar noch leicht gewachsen ist. Und die bemerkenswertesten Proteste des Herbsts im Werfen von Brei auf Gemälde bestanden, statt in Massenaufständen auf den Straßen. Warum?

º Faktor eins: Der Krieg ist nicht eskaliert – was das Leid vieler Menschen in der Ukraine nicht lindert, aber doch viel mehr Leid noch verhindert hat. Und damit auch neue dramatische Exzesse bei Gas- und anderen Preisen.

º Faktor zwei: Seit August sind im Gegenteil die Energiepreise an den Märkten wieder stark gesunken – für Gas von zeitweise knapp 350 Euro je Megawattstunde auf zuletzt erstmals wieder weniger als 100 Euro, für Öl von teils mehr als 130 auf weniger als 80 US-Dollar je Fass. Was just im vermeintlich heißen Herbst die Benzinpreise wieder deutlich unter 2 Euro je Liter sinken ließ – immer noch viel, aber weit weg von apokalyptisch wirkenden 2,50 Euro. Ein fürs Wutpotenzial im Autoland nicht unwesentlicher Unterschied, der auch ökonomisch zählt: Dank der sinkenden Rohstoffpreise fielen in Deutschland im Oktober und November die Industriepreise stark – und selbst die allgemeine Inflation lässt langsam nach. Der Trend wirkt erleichternd – auch wenn vieles deshalb nicht gleich wieder billiger wird.

º Faktor drei: Bei alldem scheint das Kalkül des lieb-gescholtenen Wirtschaftsministers und seiner Berater vom Frühjahr aufgegangen zu sein: erst einmal Zeit gewinnen, Gas sparen und Speicher füllen – und bloß nicht sofort die Gaszufuhr stoppen. Es spricht viel dafür, dass dadurch jene Wochen gewonnen wurden, die nötig waren, um Gasspeicher zu füllen, eine Notlage zu verhindern, (womöglich ungewollt) die Kehrtwende bei den Preisen zu beschleunigen und eine konjunkturelle Abwärtsspirale aus Panik zu vermeiden – was in Sachen Speicher auch mithilfe der milden Witterung im September und Oktober gelang.

º Faktor vier: Bis zum tatsächlichen Stopp der russischen Lieferungen im September konnten so zur Überbrückung immerhin noch 200 Terrawattstunden genutzt werden, die aus Russland kamen – immerhin die Hälfte des früheren Jahresimports. Was es dem einen oder anderen Industriebetrieb ermöglicht zu haben scheint, noch relativ sachte auf andere Energie umzuschalten – und die wirtschaftlichen Einbrüche außerhalb der extrem energieintensiven Industrien zu begrenzen. In Maschinenbau und Elektroindustrie lag die Produktion in Deutschland zuletzt sogar höher als vor Kriegsausbruch im Februar.

All das hätte ohne Faktor fünf womöglich auch nicht geholfen: dass zwar spät, aber ab Sommer spektakulär viel beschlossen wurde, um die historisch dramatischen Belastungen einer kriegsbedingten Energiekrise für die Menschen regierungsamtlich auszugleichen. Dazu zählen, um nur ein paar zu nennen: die Abschaffung der EEG-Umlage und Steuersenkungen auf den Stromverbrauch; ein Tankrabatt, der just in der absurdesten Hochzeit der Ölpreise über Wochen für deutlich niedrigere Benzinpreise sorgte, als es sonst der Fall gewesen wäre; ein Neun-Euro-Ticket, das es einer Menge Leute über Wochen ermöglicht hat, sehr günstig zu pendeln und zu reisen; eine Energiepauschale von 300 Euro für alle Steuerzahler, die später auch für Rentner und andere beschlossen wurde; das Aussetzen der Gas-Abschläge im Dezember – als Übergang zu Gas- und Strompreisbremsen, durch deren Wirkung die Inflation noch einmal um mindestens zwei Prozentpunkte niedriger ausfallen lassen werden, als es sonst der Fall gewesen wäre.

Wenn die Wirtschaft im Sommer mehr erwirtschaften konnte, dann liegt das nach Angaben der amtlichen Statistiker vor allem daran, dass die Menschen ihren Konsum nicht eingeschränkt haben – im Gegenteil. Es gehört nicht viel Mathematik dazu, um zu erahnen, dass dies ohne Tankrabatte, Neun-Euro-Ticket, Stromsteuersenkungen und Energiepauschalen anders gekommen wäre.

Selbst zur notorisch gefürchteten Lohn-Preis-Spirale ist es umgekehrt trotz Rekordinflation nicht gekommen. Womöglich auch, weil für die Gewerkschafter der Druck dank etlicher Regierungshilfen nicht mehr so groß war, jetzt entsprechend enorme Lohnzuwächse durchzusetzen. Was nach allem, was bekannt ist, in etwa so auch in der sogenannten konzertierten Aktion zwischen Regierung und Tarifparteien vereinbart wurde. De facto bleiben die Tarifanhebungen in Chemie- und Metallindustrie gemessen an einer zweistelligen Inflation eher mäßig. Die Kompensation kommt eher durch Einmalzahlungen, die Firmen leichter einrechnen können – und die von der Regierung steuerlich freigestellt wurden.

Es spricht viel dafür, dass all das auch präventiv schon wirkt, wie Sebastian Dullien vom IMK-Institut sagt. Seit für 2023 die Gas- und Strompreisbremsen angelegt wurden, hellt sich, oh Wunder, auch das Konsumklima wieder auf, das die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in ihren Umfragen ermittelt. »Die Maßnahmen zeigen offenbar Wirkung«, so GfK-Experte Rolf Bürkl. Nach Schätzungen der Denkfabrik MCC könnte der Staat bis 2024 immerhin für einen durchschnittlichen Haushalt locker die Hälfte der zusätzlichen Gaskosten übernehmen – je nach Annahme zur Entwicklung der Preise.

Tolle Regierung irgendwie? Klar. Nur hätte all das schon früher hätte passieren können. Stattdessen wurden in Deutschland wie so oft in akuten Krisen erst einmal viele Grundsatzdebatten geführt. Das ist da nicht anders als unterm Weihnachtsbaum. Nur dass dort unter höherem Alkohol- und Familieneinfluss gestritten wird. Hätte die Regierung nicht erst im Herbst, sondern schon im Sommer Gas- und Strompreisbremsen beschlossen, hätte es in Deutschland gar keine zehn Prozent Inflation gegeben. Und womöglich auch nicht so viel Aufregung um soziale Unruhen.

Alles in allem werden die Hilfen gegen die Energiekrise auf bis zu fünf Prozent der Wirtschaftsleistung eines Jahres geschätzt. Das bringt das Land finanziell nicht um. Es könnte aber erklären, warum der Wirtschaft eine wirklich dramatische Rezession am Ende erspart blieb und in Umfragen zuletzt deutlich nachlassende Sorgen ermittelt wurden. Und warum die allermeisten Leute jetzt Weihnachten im Warmen feiern – statt auf der Straße kalt zu protestieren.

Ein bisschen Glück auch. Wie schön. In diesem Sinne: frohes Fest.
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Draalz (23.12.22)
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