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Verfassungsschutzbericht 2019: Neuer Behördenchef, neue Töne
Zitat:
Verfassungsschutzbericht 2019
Neuer Behördenchef, neue Töne
Mit drastischen Worten beschreibt Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang die Entwicklung rechter Gewalt in Deutschland. Er warnt vor "Superspreadern von Hass".
Eine Analyse von [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
9. Juli 2020, 18:58 Uhr 293 Kommentare

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU, r.) und Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang, als sie den Verfassungsschutzbericht 2019 vorstellen
© Adam Berry/Getty Images
Der Verfassungsschutz sei nun mal das Immunsystem der Demokratie, er solle drohenden Schaden von der freiheitlichen Grundordnung abwenden. So sagt es Thomas Haldenwang, Chef des Inlandsgeheimdienstes mit seinen mehreren Tausend Informationsbeschaffern, Auswertern, Analysten. Doch manchmal sind selbst Spitzengeheimdienstler von den Erkenntnissen der eigenen Behörde schockiert.
Man sei in "großer Sorge" wegen der "exorbitant gestiegenen Gewalt", sagt Haldenwang, als er gemeinsam mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag in Berlin den Verfassungsschutzbericht für 2019 vorstellt. Bei den Linksextremisten sinke die Hemmschwelle, schwere Gewalttaten zu begehen. Rechtsextremisten befänden sich im Wettstreit um den Anschlag mit der höchsten Opferzahl: Es gehe hier darum, den "Highscore der meisten Toten zu brechen", wie es Haldenwang formuliert. Solche Superlative sind selten, wenn eine Bundesbehörde Bericht erstattet über ihre Arbeit.
Der Verfassungsschutzbericht 2019 umfasst das erste vollständige Dienstjahr des neuen Verfassungsschutzchefs, seit er die Nachfolge von Hans-Georg Maaßen antrat – jener CDU-Konservative, der sich 2018 in der Debatte um eine von Rechtsextremisten unterwanderte Demonstration in Chemnitz gegen die Kanzlerin stellte.
Haldenwang hat den Schwerpunkt seiner Arbeit seitdem auf den gewaltorientierten Rechtsextremismus und -terrorismus gelegt. Die Behörde ist stark gewachsen, sie unterliege technischen Veränderungen, wie der Präsident sagt. Es seien "vielfach Methodiken auf den Prüfstand gestellt" worden – bewährte Arbeitsweisen aus dem Bereich des islamistischen Extremismus übertrug Haldenwang auf den Bereich Rechtsextremismus. Das lässt sich als indirekte Kritik an seinem Vorgänger lesen. Sicher ist: Wenn es um die rechtsextremistische Bedrohung in Deutschland geht, so formuliert Haldenwang weit drastischer und auch politischer als Maaßen.
Auch Haldenwangs Dienstherr Seehofer musste sich in den vergangenen Tagen vorwerfen lassen, dem Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus nicht oberste Priorität einzuräumen: In der Pressekonferenz drehten sich viele Fragen um eine angekündigte und dann wieder abgesagte Studie zum sogenannten Racial Profiling durch Polizeibeamte oder das Lagebild Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst. Seehofer fühlt sich missverstanden.
Am Donnerstag wurde der Innenminister nun ungewohnt deutlich. Er sehe den Rechtsextremismus als die "größte sicherheitspolitische Herausforderung für unser Land", sagte Seehofer. Tatsächlich steht der Verfassungsschutzbericht für sich: Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten stieg 2019, darunter Sachbeschädigungen, Nötigung oder Propagandadelikte wie das Zeigen verfassungswidriger Symbole. Dass die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten sank, beeinflusst die Einschätzung Haldenwangs und Seehofers nicht. Denn die Qualität der Gewalt ist eine neue: Haldenwang erwähnt den Anschlag eines radikalisierten Antisemiten in Halle, wo viele Besucher einer Synagoge sterben sollten – weil das Türschloss Widerstand leistete, tötete er dann zwei Passanten. Neue Qualität hat auch der Mord an dem Kasseler Ex-Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der als Politiker getötet wurde, weil er sich gegen Rassismus ausgesprochen hatte. Halle und Kassel seien nur die "Spitze einer Gefahr, die um sich greift", sagt Haldenwang und fügt der Aufzählung den Anschlag von 2020 in Hanau hinzu: Dort tötete ein Rassist Menschen, einfach weil sie in Shisha-Bars saßen – eine Tat, die "das ganze Land unter Schock gesetzt hat".
Mindestens 20 Prozent der AfD-Mitglieder im Visier
Zu Haldenwangs Lagebewertung gehören aber nicht nur die Täter, sondern auch jene, die er die "Wegbereiter" nennt. Deutlich schließt er in seine Analyse auch die Neue Rechte ein, die "zwar keine physische Gewalt ausübt, aber Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in unsere Gesellschaft bringt" und immer selbstbewusster agiere. Das Institut für Staatspolitik des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek, die als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestufte Identitäre Bewegung, das seit Neuestem auch beobachtete Netzwerk Ein Prozent, das Compact-Magazin – sie alle sind für Haldenwang "Superspreader von Hass", die "ihre pseudointellektuellen Theorien" mit "fremdenfeindlichen, nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Ideologieelementen" anreichern.
Damit kommt Haldenwang zur AfD, denn all diese Kreise sind mit der Partei vernetzt. Anfang 2019 gab der Verfassungsschutz bekannt, dass er die Partei hinsichtlich extremistischer Bestrebungen als sogenannten Prüffall führt – wogegen die AfD erfolgreich vor Gericht zog. Zum beobachtungswürdigen Verdachtsfall erklärte Haldenwang nun den nationalistisch-völkischen Flügel, jene lose Vereinigung um den Thüringer Björn Höcke und den jüngst von Parteiausschluss bedrohten Brandenburger Andreas Kalbitz, die nach der ethnisch homogenen Gesellschaft strebt. Weiterhin die Jugendorganisation Junge Alternative (JA), ein Verein mit etwa 1.600 Mitgliedern, die aber nicht alle auch zur AfD gehören.
Nun ist die Partei erstmals mit JA und Flügel im Bereich Rechtsextremismus/-terrorismus im Bundesverfassungsschutzbericht erwähnt. In seinem Jahresbericht rechnet der Geheimdienst "mindestens 20 Prozent" der AfD-Mitglieder dem Flügel zu, ein Personenpotenzial von "circa 7.000 Anhängern" – ein Fünftel aller Mitglieder, erheblich also.
Seit März 2020 – also nach Haldenwangs Berichtszeitraum – führt der Verfassungsschutz den Flügel sogar als "gesichert extremistische Bestrebung". Die Partei fürchtet daher einen enormen Imageschaden, der sich spätestens im Wahljahr 2021 auswirken könnte. Die AfD klagt gegen die Beobachtung des Flügels und zog auch gegen die Erwähnung in Haldenwangs Bericht vor die Verwaltungsgerichte – und gegen die genannte Größenordnung: Weit unter 1.000 Angehörige gehörten zum aktiven Lager der Flügel, argumentieren AfD-Spitzenleute. Namentlich bekannt und öffentlich in Erscheinung träten davon weniger als 100.
Seehofer hatte Bedenken gegen die Erwähnung des Flügels
Dabei sind Haldenwangs 7.000 noch weit weniger als die Wirkung, die das Flügel-Potenzial in der Partei zeigt: Aus dem Ausgang von Abstimmungen auf Parteitagen oder im Bundesvorstand lässt sich die Flügel-Stärke mit 40 Prozent herleiten – was fast 14.000 Mitgliedern gleichkommt. [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ], was auch die Parteiführung nicht bestreite, heißt es in der [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ], an dem die AfD mit ihrem Einspruch scheiterte. Das Innenministerium argumentiert zudem, die Gefährdung der demokratischen Grundordnung gehe nicht nur von namentlich bekannten Akteuren aus, sondern auch von unbekannten Unterstützern. Öffentlich sichtbar werden weit weniger.
Dass der Flügel der AfD im Bericht vorkommt, war keineswegs von Anfang an klar: Seehofer habe Bedenken gehabt, die sogenannten Verdachtsfälle wie den Flügel überhaupt aufzunehmen, wird [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] ausgeführt. Denn Parteien sind privilegiert und, wie auch Abgeordnete, gesetzlich weitgehend vor Geheimdienstbeobachtung geschützt. Obwohl rechtlich nicht abschließend geklärt ist, ob von staatlicher Berichterstattung Betroffene immer zuvor angehört werden müssen, beteiligte das Ministerium die AfD: Es ließ die Bundesgeschäftsstelle schon vor Monaten wissen, was man über Flügel und JA zu publizieren gedenke. Der Verfassungsschutz schickte dem Parteivorstand sogar ein internes Gutachten über den AfD-Flügel, darin Informationen über den von Parteirauswurf bedrohten brandenburgischen Landeschef und Flügel-Stratege Andreas Kalbitz und dessen Bezüge zur Neonazigruppe HDJ. Per E-Mail verhandelte man über den Wortlaut der Erwähnung, dann folgte das für die Partei erfolglose Gerichtsverfahren.
Doch wie aus der [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] hervorgeht, hat der anfangs zögernde Seehofer seinem Behördenchef in dieser Sache nachgegeben: Haldenwangs Behörde bat am 10. Dezember 2019 Seehofers Ministerium, im Jahresbericht "von der Nichtnennung des Flügels abzusehen". Mit einer bemerkenswerten Begründung: "Eine solche Vorgehensweise würde mindestens auf Unverständnis bei Politik, Medien und Öffentlichkeit stoßen." Dafür spräche etwa die breite Resonanz, die bereits die Benennung des Flügels als Verdachtsfall Anfang 2019 hervorgerufen habe. Seehofer gab nach. Beide bestreiten auf Nachfrage heute zwar, in dieser Sache geteilter Meinung gewesen zu sein. Klar wird auf jeden Fall: Haldenwang ist entschlossen, der Partei und ihrem rechten Rand mit scharfer Beobachtung entgegenzutreten. Er will beobachten, welchen Einfluss der formal aufgelöste AfD-Flügel auf die Gesamtpartei ausüben werde. Und er regt an, darüber nachzudenken, "ob das zu weiteren Überlegungen führen muss". Was Haldenwang meint: Eine Beobachtung der Gesamtpartei könnte folgen. Das erinnert an die NPD, der das Bundesverfassungsgericht später in einem Verbotsverfahren bescheinigte, verfassungswidrig zu sein.
Die AfD wird auch nach diesem Verfassungsschutzbericht wieder auf die Gegenseite deuten und darauf hinweisen, dass die Straftaten im linksextremistischen Bereich 2019 um 40 Prozent stiegen, dass die von Seehofer und Haldenwang als besorgniserregend und "exorbitant steigende" Gewalt mittlerweile Millionenschäden verursache – etwa mit dem Anzünden von Baukränen durch gewalttätige Kapitalismuskritiker in Leipzig. Dabei sind etwa Gewalttaten gegen die von der AfD stets verteidigten Polizisten gesunken – um knapp 160 auf 447 Delikte.
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