Schiffsunglück vor Italien
Zitat:
Kapitän der "Costa Concordia" festgenommen
Nach dem Kentern eines Kreuzfahrtschiffs vor der Toskana ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Kapitän. Rettungskräfte finden derweil weitere Vermisste.
Nach der Havarie eines Kreuzfahrtschiffs vor der Küste Italiens haben die Rettungskräfte die Suche nach Vermissten fortgesetzt. In der Nacht zum Sonntag fanden sie in einer Kabine zwei asiatische Passagiere. Der Mann und die Frau seien in guter Verfassung, meldete die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Mindestens drei Menschen starben und 70 wurden nach Behördenangaben verletzt, als die "Costa Concordia" am Abend zuvor mit insgesamt 4229 Passagieren und Besatzungsmitgliedern vor der Insel Giglio aufgelaufen war.
Unter den Verletzten waren auch etwa zehn Deutsche, wie Bundesaußenminister Guido Westerwelle am späten Samstagnachmittag sagte. "Ich kann, weil es immer noch Vermisste gibt, nicht ausschließen, dass es auch noch andere schlimmere Nachrichten geben kann“, fügte er hinzu.
Keiner der 566 Deutschen an Bord sei ums Leben gekommen, sagte der Sprecher von von Costas Deutschland, Werner Claasen. Sie seien am Samstagabend mit Linienmaschinen der Lufthansa in München oder Frankfurt am Main gelandet. Einige flogen von dort noch weiter nach Hause. „Wir haben die Privatsphäre der Leute gewahrt und viele auf Wunsch abgeschirmt aus den Airports bringen lassen. Die wollten einfach nur nach Hause“, sagte Claasen.
Wieviele Menschen genau noch vermisst wurden, war bis zum Abend nicht klar. "Wie können bei den Zahlen nicht sicher sein“, räumte der Leiter der Feuerwehrrettungskräfte vor Ort, Ennio Aquilini, ein. "Es könnten zehn, 20 oder bis zu 40 sein, aber ich kann nicht genauer werden. Es besteht die Möglichkeit, dass es keine Vermissten gibt.“
Ein Problem war nach Angaben des Polizeichefs der nahegelegenen Ortschaft Grosseto, Giuseppe Linardi, dass die Passagierliste noch nicht mit der Liste derjenigen abgeglichen wurden, die bereits von der Insel ans toskanische Festland in die Hafenstadt Porto Santo Stefano gebracht worden waren. Bei den Toten handelte es sich nach Angaben eines Behördenvertreter um zwei französische Touristen und ein peruanisches Crew-Mitglied.
Auch die Ursache des Unglücks war weiter unklar. Die Behörden nahmen Strafermittlungen auf wegen möglicher fahrlässiger Tötung. Italienische Nachrichtenagenturen melden die Festnahme des Kapitäns. Danach ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung und Herbeiführung eines Schiffbruchs. Auch werde dem Kapitän vorgeworfen, das Schiff verlassen zu haben, bevor alle Passagiere gerettet worden seien, heißt es. Diese Vorwürfe würden auch dem ersten Offizier Ciro Ambrosio gemacht.
Die Black Box wurde gefunden
Der Staatsanwalt von Grosseto, Francesco Verusio, erklärte vor Journalisten, der Kapitän Francesco Schettino habe sich mit dem Luxusliner "Costa Concordia“ "sehr ungeschickt“ der Insel Giglio genähert und einen Felsen gerammt, der sich in die linke Seite des Schiffs gebohrt habe. Inzwischen wurde die Black Box des Luxusliners gefunden.
Der Schiffskapitän sagte vor seiner Verhaftung in einem Fernsehinterview, der Felsen sei auf Seekarten nicht eingezeichnet. Ein Sprecher der Küstenwache sagte dem Fernsehsender SkyTG24, er wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen, sondern den Ausgang der Ermittlungen abwarten. Das 290 Meter lange Schiff war in ruhiger See an einer Stelle aufgelaufen, an der das Meer unweit vom Strand der Insel Giglio 15 bis 20 Meter tief ist. Wenig später kippte es zur Seite, ein langer Riss war zu erkennen.
Nach Angaben von Passagieren ereignete sich das Unglück während des Abendessens. "Wir hatten uns gerade zu Tisch gesetzt, als wir diesen lauten Knall hörten“, sagte Maria Parmegiano Alfonsi im italienischen Fernsehen. "Ich denke, wir sind auf einen Felsen aufgelaufen. Es herrschte große Panik, Tische kippten um, Gläser flogen durch die Gegend und wir sind an Deck gerannt, um unsere Schwimmwesten anzulegen.“ Ein anderer Gast sagte: "Der Strom fiel aus und alle schrien laut auf. Alle rannten auf und ab und dann zu ihren Kabinen, um herauszufinden, was passiert ist.“
"Ich war sicher, dass ich sterben würde“, sagte die 65-jährige Antonietta Sintolli. "Die Leute versuchten sich gegenseitig die Schwimmwesten zu stehlen. Wir konnten nur für die Kinder welche bekommen.“ Augenzeugen zufolge hatten die zumeist asiatischen Besatzungsmitglieder erhebliche Probleme, Ordnung in das Chaos zu bringen, zumal nur wenige von ihnen italienisch gesprochen hätten. "Es war die totale Panik. Die Menschen führten sich auf wie Tiere. Wir mussten viel zu lange warten, um in die Rettungsboote zu kommen“, sagte die 47-jährige Patrizia Perilli.
"So ähnlich wie im Film 'Titanic'"
"Es ging ein Ruck durch das Schiff“, beschrieb der Deutsche Peter Honvehlmann die Situation. "Innerhalb kürzester Zeit bekam es eine Schräglage, so dass die Vasen von den Tischen fielen, von den Tresen fiel alles runter, (...) so ähnlich wie im Film 'Titanic', man hat es nicht geglaubt.“ Der 38-Jährige wurde zusammen mit seiner Frau gleich zu Beginn der Evakuierung von Bord gebracht.
Man sei von einem technischen Defekt unterrichtet worden, sagte Honvehlmann. Die Mannschaft habe versucht, die Leute zu beruhigen. "Dann trieb das Schiff immer mehr auf die Küste zu.“ Die Rettung sei chaotisch gewesen. "Das war die erste Kreuzfahrt in meinem Leben und sicherlich auch die letzte, sowas geht ja gar nicht.“
Nicht der erste Zwischenfall mit der "Costa Concordia"
Das schwimmende Hotel mit mehreren Pools, Kinos und einer Diskothek kenterte nach Angaben von Costa Deutschland auf der Etappe von Civitavecchia bei Rom nach Savona. Als weitere Stationen waren demnach Marseille, Barcelona, Palma de Mallorca, Cagliari und Palermo geplant. Das zwischen 2004 und 2005 für 450 Millionen Euro gebaute Schiff wird von einer Tochtergesellschaft des Kreuzfahrtkonzerns Carnival betrieben. Es bietet in 1500 Kabinen Platz für 3780 Passagiere, um die sich 1100 Besatzungsmitglieder kümmern. Das US-Unternehmen zählt zu den Branchenriesen und besitzt unter anderem den deutschen Marktführer Aida.
Es ist nicht der erste Zwischenfall mit der "Costa Concordia“. 2008 hatte das Schiff bei der Einfahrt in den Hafen von Palermo in schwerem Sturm die Hafenbefestigung gerammt und war beschädigt worden.
Nach Auskunft des Branchenverbandes European Cruise Council (ECC) haben Kreuzfahrtschiffe in den vergangenen beiden Jahrzehnten weltweit mehr als 90 Millionen Passagiere befördert. 2010 gab es nach ECC-Angaben in Europa 198 Kreuzfahrtschiffe mit Kapazitäten von 100 bis 3600 Passagieren.
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