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[Technik] Raumfahrt: Ariane 6 taumelt unkontrolliert im Orbit

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Ungelesen 15.07.24, 10:17   #1
ziesell
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Standard Raumfahrt: Ariane 6 taumelt unkontrolliert im Orbit

Zitat:
Raumfahrt: Ariane 6 taumelt unkontrolliert im Orbit

Ein mangelhafter Entwicklungsprozess führt zu Schrott im Weltall und einer Rakete, welche die meisten geplanten Missionen nicht durchführen kann.



Nach einem zunächst erfolgreichen Start der Ariane 6 ist es zu technischen Problemen gekommen, die den vollständigen Abschluss der Mission unmöglich gemacht haben. Zwei Wiedereintrittskapseln werden zusammen mit anderen Testnutzlasten zur Messung der Bedingungen während des Wiedereintritts für mehrere Jahrzehnte im Orbit verbleiben. Der Grund ist das Versagen der APU (Auxillary Power Unit), eines Bauteils der Oberstufe, mit dem die Raketenstufe zwischen den Triebwerkszündungen einsatzbereit gehalten wird.

Die APU soll langdauernde Missionen mit komplexen Flugprofilen und mehreren Triebwerkszündungen ermöglichen – mit minimalem Zusatzgewicht. Dazu gehören unter anderem vier geplante Starts von Galileo-Satelliten, 18 Starts für die von Amazon geplante Konstellation aus Kuiper-Satelliten und regelmäßig geplante Multi-Launch-Service-Missionen.

Die APU verbrennt kleine Mengen Wasser- und Sauerstoff. Mit der Wärme wird Treibstoff in den Tanks verdampft, um sie vor der Triebwerkszündung ohne zusätzliche Heliumflaschen unter Druck zu setzen. Das ist in der Ariane 6 auch für die Lageregelung der Raketenstufe unbedingt notwendig, die ausschließlich mit Wasserstoffgas aus dem Treibstofftank bewerkstelligt wird.

Die APU soll Treibstoff und Helium sparen

Neben den mit reinem Wasserstoffgas betriebenen Triebwerken zur Lageregelung hat die APU auch Triebwerke, die mit dem Abgas aus der Verbrennung von Sauerstoff und Wasserstoff betrieben werden. Sie können durch eine kleine, konstante Beschleunigung dafür sorgen, dass der Treibstoff nicht schwerelos in der Mitte des Tanks schwebt und sich stattdessen am Tankboden sammelt, wo sich die Treibstoffleitungen befinden. Mit höherem Schub können sie auch kleinere orbitale Manöver ohne das Haupttriebwerk durchführen.

Statt eines Systems wie der APU werden in Raketenstufen üblicherweise Heliumtanks genutzt, um genug Druck in den Tanks aufzubauen. Die Lageregelung und das Sammeln des Treibstoffs in den Tanks werden durch kleine Hydrazin-Triebwerke übernommen, wie sie auch in Satelliten üblich sind. Ihr Treibstoff wird in flexiblen Blasen statt in starren Tanks gelagert und somit von der Schwerelosigkeit nicht beeinflusst, was hohe Zuverlässigkeit garantiert. Die maximale Missionsdauer und Zahl der Triebwerkszündungen ist dann von der Größe der Hydrazin- und Heliumtanks abhängig.

Die Oberstufe der Ariane 6 hat Heliumtanks, die für den ersten Start des Haupttriebwerks der Raketenstufe benötigt werden. Dann wird die APU gezündet, noch während das Triebwerk läuft und für ausreichend Schwerkraft gesorgt ist. Das hat beim Start sehr gut funktioniert und die APU sorgte auch für genug Druck im Wasserstofftank, um die Düsen der Lageregelung mit Wasserstoffgas zu versorgen.

Aber es gibt in der Ariane 6 kein alternatives System zur Lageregelung und zum Treibstoffsammeln mit Hydrazin, das unabhängig von der APU in Schwerelosigkeit garantiert funktioniert. Dabei betonen die Betreiber der Rakete, dass die Funktion der APU in Schwerelosigkeit auf der Erde nicht getestet werden konnte.

Während die einen applaudieren, werden die anderen hektisch

Wie aus den Aussagen und Beobachtungen des Fluges bislang zu erfahren war, geschah beim Flug nun Folgendes: Die APU wurde während der ersten Flugphase kurz nach dem Vinci-Triebwerk gezündet und funktionierte zunächst problemlos, auch nachdem das Vinci-Triebwerk abgeschaltet worden war. Sie erzeugte genug Druck in den Treibstofftanks, um Wasserstoffgas für die Lageregelung zur Verfügung zu stellen und genug Schub, um den Treibstoff in den Tanks für die zweite Zündung des großen Vinci-Triebwerks zu sammeln. Danach befand sich die Oberstufe im korrekten Orbit, um die Satelliten auszusetzen.

Kurz vor Abtrennung der Satelliten wurde die APU abgeschaltet, 1:05:45 Stunden nach dem Start. Die Wiederzündung der APU gelang neun Minuten später, konnte aber nicht im Livestream mitverfolgt werden. Denn zu diesem Zeitpunkt bejubelten die Verantwortlichen den Erfolg des Satellitenstarts, auch wenn Stephan Israël, Arianespace-CEO, deutlich auf den noch ausstehenden Rest des Testfluges hinwies.

Gleichzeitig zeigten die Kameras angestrengte Gesichter in der Missionskontrolle, während die Gäste außerhalb hinter einer dicken schallabsorbierenden Glasscheibe applaudierten. Kurz darauf kehrte der Missionsdirektor Raymond Boyce zurück und wurde augenscheinlich in drängende Diskussionen verwickelt, telefonierte und machte Durchsagen, die im Livestream nicht übertragen wurden.

Die Oberstufe gerät ins Taumeln

Zum selben Zeitpunkt zeigte die Animation der Raketenstufe, dass sie in verkehrter Fluglage – über Kopf in Richtung Erde – langsam taumelte. Laut späteren Aussagen soll die APU schon kurz nach der zweiten Zündung ausgefallen sein, was das Taumeln der Raketenstufe erklären würde. Auf Youtube findet das ganze Geschehen unter der Zeitmarke "Success Statements" statt. Es gab in der folgenden Stunde keinerlei Aussagen zu technischen Problemen.

Entsprechend dem Flugplan sollte die APU nach der Zündung 35 Minuten lang laufen. Danach sollte sie zu Testzwecken abgeschaltet und 90 Sekunden später zum dritten Mal neu gestartet werden. Dann sollte die APU auch ihre etwas größeren Triebwerke nutzen, um die Umlaufbahn der Raketenstufe zu erhöhen.

Im Livestream kommt es ungefähr zum Zeitpunkt des geplanten Neustarts der APU, 1:48 Stunden nach dem Start, zu einem kurzen Blackout im Videostream. Nach dem Blackout hörte die Stufe für 4 Minuten auf zu taumeln und befand sich in einer weitgehend stabilen Lage. Vermutlich wurde versucht, die APU nochmal neu zu starten. Davor befand sich wohl trotz des zwischenzeitlichen Ausfalls der APU genug Druck im Wasserstofftank, um die Lageregelung zumindest für einige Minuten sicherzustellen, vielleicht auch mit Hilfe von Resten aus den Heliumtanks.

Blackouts und Nebelwolken

Danach sollte das größere Triebwerk der APU anfangen, die Flughöhe der Raketenstufe um etwa 50 km anzuheben. Das passierte jedoch nicht. Stattdessen zeigt der Livestream 1:53:18 Stunden nach dem Start, wie die Stufe in eine leichte Nebelwolke eingehüllt wird und kleine Eisteilchen davonfliegen. Es ist zu vermuten, dass es sich dabei um ein Treibstoffleck durch einen Defekt handelte oder dass das Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch in der APU nicht zündete und unverbrannt ausgestoßen wurde.

Danach fing die Raketenstufe sofort wieder an zu taumeln und in den nächsten Minuten wich die Anzeige der tatsächlichen Flugbahn von der geplanten Flugbahn deutlich ab, weil die geplante Erhöhung der Flugbahn nicht stattfand.

Zehn Minuten später, 2 Stunden und 3 Minuten nach dem Start, um 23:03 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, gab es einen weiteren Blackout in der Videoübertragung aus dem Orbit. Noch 1 Minute später zeigten gleichzeitig vom Boden aufgenommene Videoaufnahmen aus Ungarn, wie große Mengen Treibstoff aus der Raketenstufe entwichen. Ein offizielles Statement zur Fehlfunktion gab es erst 2 Stunden und 35 Minuten nach dem Start, als die geplante dritte Zündung des Vinci-Triebwerks der Oberstufe nicht stattfinden konnte.

Verschleiern Blackouts im Livestream technische Probleme?

Die Videoübertragung von der Rakete war dabei nie vollkommen live, sondern ab dem Start um etwa 20 Sekunden verzögert. Die Blackouts in der Videoübertragung korrelieren so stark mit Anfang und Ende der Taumelbewegungen, dass die Vermutung nicht abwegig scheint, dass hier größere Anomalien nicht in den Kamerabildern gezeigt werden sollten.

In der anschließenden Pressekonferenz gab Ariane-Group-CEO Martin Sion den Ablauf der Ereignisse so wieder, dass, nachdem das Vinci-Triebwerk nicht wieder gestartet werden konnte, die Passivierung der Stufe erfolgt sei. Dabei werden alle Treibstoffventile geöffnet und die Tanks geleert, um Trümmer durch eine Explosion der Treibstofftanks im Orbit zu vermeiden. Die große Treibstoffwolke wurde jedoch schon eine halbe Stunde zuvor über Ungarn beobachtet.

Falls Sions Aussage den Tatsachen entspricht, muss es also schon vorher ein größeres Treibstoffleck durch einen mechanischen Defekt, einen Triebwerksdefekt oder versehentlich geöffnete Ventile gegeben haben. Sion sagte lediglich: "Die APU funktionierte und dann funktionierte sie nicht mehr. Wir wissen nicht warum."

Ohne APU funktioniert die Ariane 6 nicht wie versprochen

Auf weitere Nachfragen zu den Auswirkungen der Anomalie auf künftige Missionen betonte Sion, dass der erfolglose Neustart der APU in Schwerelosigkeit durchgeführt worden sei, was nicht bei allen Missionen nötig sei.

Das ist allerdings nicht korrekt. Denn in allen Missionen muss die Oberstufe nach dem Aussetzen der Satelliten wieder zur Erde zurückkehren oder in einen Friedhofsorbit befördert werden, um das selbst gesteckte Ziel zu erreichen, dass die Ariane 6 keine Raketenstufen mehr als Schrott im Orbit hinterlässt.

Am klarsten sagte es Arianespace-CEO Stephane Israël: "Was in den ersten 18 Minuten demonstriert wurde, war ausreichend, um alles zu tun, was mit die Ariane 5 auch tat." [Anm. d. Red.: Gemeint ist die Ariane5 ECA.] Diese Rakete benötigte keine APU, weil ihr Triebwerk ohnehin nicht wiedergestartet werden konnte. Auch die alte Raketenstufe verwendete Hydrazin-Triebwerke zur Lageregelung. Komplexere Missionen konnte die Ariane 5 nur mit der viel leistungsschwächeren, aber wiederstartbaren, EPS-Oberstufe durchführen, die ausschließlich mit Satellitentechnik vergleichbare Hydrazin-Triebwerke nutzte.

Tatsächlich leistete die Ariane 6 mehr als die Ariane 5 ECA. Immerhin funktionierte die APU, bevor sie zum Aussetzen der Satelliten abgeschaltet wurde. Dadurch konnte das Vinci-Triebwerk nach über 30 Minuten neu gestartet werden, was mit der Ariane 5 ECA unmöglich war. Aber an die Ariane 6 werden beim Aussetzen von Satellitenkonstellationen im niedrigen und mittleren Erdorbit viel höhere Anforderungen gestellt, für die zwei Triebwerkszündungen nicht ausreichen.

Es muss nun vor allem geklärt werden, ob das Versagen der APU und der Lageregelung tatsächlich in Zusammenhang mit der Zündung in Schwerelosigkeit stand und kein anderer Defekt vorlag, der auch unabhängig davon auftreten kann.

Der Autor meint dazu: Das Beste zu hoffen, reicht nicht

Für den Autor stellt sich die Situation wie folgt dar. Das Hauptproblem bei der Fehlfunktion der Ariane 6 ist ein grundlegender Verstoß gegen das Prinzip "Test as you Fly – Fly as you Test", mit dem sich auch die Esa und das DLR im Jahr 2013 auf ihren Webseiten präsentierte. Dort erklärte Klaus Schäfer, stellvertretender Direktor des Instituts für Raumfahrtantriebe im DLR Lampoldshausen: "Alle überarbeiteten oder neu entwickelten Triebwerkstypen müssen vor ihrem Einsatz unter Flugbedingungen validiert werden, um die operationellen Grenzen und das funktionale Verhalten im Betrieb bestimmen zu können".

Das war bei der APU nicht der Fall. Die APU muss unter Schwerelosigkeit funktionieren und wurde nicht in Schwerelosigkeit getestet. Die Abwesenheit von Schwerelosigkeit auf der Erdoberfläche ist keine Ausrede. Was nicht getestet werden kann, ist unbekannt und somit nicht zuverlässig. Die Ariane 6 wurde also mit einem in relevanten Bedingungen ungetesteten System gestartet, für das es keinerlei Redundanz gab.

Dabei wäre es leicht möglich gewesen, die APU völlig risikolos unter Schwerelosigkeit mit der Ariane 6 zu testen, wenn die Oberstufe zusätzlich mit herkömmlichen Hydrazin-Triebwerken ausgestattet gewesen wäre, die in fast jedem Satelliten zu finden sind. Diese hätten nach dem erfolglosen Neustart der APU den Treibstoff neu sammeln können und die Lageregelung sichergestellt, während die gewonnenen Daten vor weiteren Startversuchen der APU analysiert werden – ein ganz normales Testprogramm.

Vergleichbare Programme waren redundant ausgelegt

Es gab in den USA vergleichbare Testprogramme zur Verbesserung der Centaur-Oberstufe, ACES und IVF, die ebenso mit zur APU vergleichbaren Systemen ausgestattet werden sollten. In beiden Fällen waren sie als Zusatzsysteme geplant, um den Treibstoffbedarf der selbstverständlich beibehaltenen herkömmlichen Systeme zu reduzieren. Erst wenn sich ein neues System unter Flugbedingungen als zuverlässig bewährt hat, kann es ohne redundante Systeme verwendet werden.

Stattdessen wurde die Ariane 6 unter dem Motto "wird schon gut gehen" nach zehn Jahren Entwicklungszeit mit einem ungetesteten System ohne jede Redundanz gestartet, das im Testflug für fast 8 Tonnen langlebigen Schrott in einem wichtigen Orbit gesorgt und das Versprechen von Zuverlässigkeit und Flexibilität der Ariane 6 gebrochen hat. Es stellt sich nun die Frage, ob bei der Ariane 6 auch in anderen Bereichen grundlegende Prinzipien der Entwicklung zuverlässiger Systeme gebrochen wurden.
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