Zwei Männer als Komplizen verhaftet
Beihilfe zum Mord vorgeworfen
Der mutmaßliche Attentäter von Kopenhagen, der am Wochenende zwei Menschen getötet hat, dürfte seine Taten nicht alleine geplant haben: Am Montag meldete die dänische Polizei die Festnahme von zwei mutmaßlichen Komplizen - über sie wurde wegen des Verdachts der Mithilfe U-Haft verhängt.
Den Männern wird Beihilfe zum Mord, zum Mordversuch und zur gefährlichen Körperverletzung vorgeworfen, wie die dänische Nachrichtenagentur Ritzau am Montag unter Berufung auf einen Richter berichtete. Außerdem sollen sie gegen das Waffengesetz verstoßen haben. Am Montag wurden seine mutmaßlichen Helfer stundenlang verhört. Sie sollen zehn Tage in Untersuchungshaft bleiben.
Dem Täter ein Versteck verschafft?
Wie die dänische Polizei sagte, wurden die beiden beschuldigt, dem Attentäter „mit Rat und Tat“ geholfen zu haben. Einer der Männer wurde laut Polizei am Sonntagvormittag, der andere am Sonntagnachmittag festgenommen. Details zu den Zugriffen gab die Polizei zunächst nicht bekannt. Im Vorfeld der Verhaftungen war die Polizei von der Tat eines Einzelnen ausgegangen.
Den beiden werde vorgeworfen, dem Täter ein Versteck verschafft und ihm bei der Entsorgung der Tatwaffe geholfen zu haben, sagte der Anwalt eines der Verdächtigen, Michael Juul Eriksen, am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Die beiden wurden einem Haftrichter vorgeführt. Laut Medienberichten wird den Männern zudem angelastet, dem Attentäter Waffen besorgt zu haben.
Suche nach Zeugen
„Wir wollen gern Kontakt mit mehr Zeugen aufnehmen, die den Täter gesehen haben“, sagten die Ermittler. Besonders wichtig seien Zeugen, denen der Mann auf dem Weg zum ersten Tatort aufgefallen sei. Zur Razzia in einem Internetcafe im Stadtteil Nörrebro am Sonntag erklärte die Polizei, dass diese zur Klärung des Tathergangs erfolgt war. In diesem Lokal habe sich der Attentäter am Samstagabend für etwa 25 Minuten aufgehalten. Gesucht würden Zeugen, die ihn dort gesehen haben.
Am Sonntag hatten schwerbewaffnete Polizisten ein Internetcafe gestürmt und zwei Personen festgenommen - ob es sich bei den beiden mutmaßlichen Terrorhelfern um die im Wettlokal Festgenommenen handelt, ist unklar. Auch mehrere Wohnungen wurden am Sonntag durchsucht. Die Polizei führte in dem Viertel Nörrebro, in dem sie Sonntagfrüh den mutmaßlichen Täter erschossen hatte, mehrere Razzien durch. Die Polizei stützt sich unter anderem auf die Auswertung von Videomaterial aus Überwachungskameras.
Täter war bis vor kurzem in Haft
Zum Werdegang des mutmaßlichen Attentäters wird hingegen immer mehr bekannt: Laut Informationen des dänischen Rundfunks soll er erst vor wenigen Wochen aus dem Gefängnis entlassen worden sein. Der 22-Jährige hatte laut Danmarks Radio im November 2013 einen Messerangriff in einer S-Bahn verübt.
Er soll dafür im Dezember 2014 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, aber im Jänner dieses Jahres entlassen worden sein, weil er so lange in Untersuchungshaft gesessen war. Laut dem Bericht, der auch vom Fernsehsender TV2 aufgegriffen wurde, gehörte der junge Mann einer Bande namens Brothas im Stadtteil Nörrebro an. Die dänischen Medien gaben den Namen des mutmaßlichen Täters mit Omar El-Hussein an. Die Polizei bestätigte die Informationen zunächst nicht.
Wachmann getäuscht
Auch sonst werden mehr Details zu den beiden tödlichen Anschlägen vom Wochenende - auf eine Diskussionsveranstaltung über die Rolle von Karikaturisten und auf eine Synagoge in der dänischen Hauptstadt - bekannt. So täuschte der Täter einem Medienbericht zufolge bei seinem zweiten Angriff Trunkenheit vor. Taumelnd wie ein Betrunkener habe er sich in der Nacht auf Sonntag der Synagoge in der Innenstadt genähert und einen 37 Jahre alten Wachmann getötet, berichtete die Tageszeitung „Politiken“ am Montag unter Berufung auf „mehrere Quellen“. Mit weiteren Schüssen verletzte der 22-Jährige zwei Polizisten, die versuchten, ihn aufzuhalten. Der junge Mann entkam, Ermittler töteten ihn Sonntagfrüh nach einem Schusswechsel vor seiner Wohnung.
„Ein sehr begabter Schüler“
Nach Angaben des Leiters eines Ausbildungszentrums, das der wahrscheinliche Attentäter besucht hatte, war dieser ein guter Schüler. „Er war ein sehr fleißiger und begabter Schüler, der sich rein fachlich gut geschlagen hat“, sagte Rektor Peter Zinkernagel dem dänischen Fernsehen. Die ganze Schule sei schockiert darüber, dass ein früherer Schüler die beiden Terroranschläge am Wochenende begangen habe.
Zinkernagel leitet das Zentrum für Erwachsenenbildung im Vorort Hvidovre, das der 22-Jährige vor den Angriffen besucht hatte. Laut Informationen des Senders war er aber nach einem Messerangriff in einer S-Bahn im November 2013 aus der Schule geworfen worden.
Schütze wütend auf Israel?
In der Schule habe sich der junge Mann meist an seine muslimischen Klassenkameraden gehalten, erzählte ein ehemaliger Mitschüler dem dänischen Rundfunk. Medienberichten zufolge hat der mutmaßliche Attentäter palästinensische Eltern - mehrfach habe er sich sehr wütend über Israel geäußert. Der in Dänemark geborene Mann habe Palästina als zweite Heimat betrachtet und sich sehr für die Palästinenser engagiert, berichtete „Politiken“ unter Berufung auf Mitschüler.
Der Vater des Attentäters reagierte indessen bestürzt auf die Tat seines Sohnes. „Ich bin genauso schockiert wie der Rest der Welt“, sagte der Vater von Omar Abdel Hamid el-Hussein „Jyllands Posten“. Er habe erst durch einen Anruf der Polizei von den Attentaten seines Sohnes erfahren. Mehr wolle er nicht sagen.
Kein Hinweis auf extremistischen Hintergrund
Der Anschlag gegen das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ im Jänner in Paris könnte den Attentäter nach Einschätzung der dänischen Sicherheitsbehörde PET zu den Taten inspiriert haben. Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass sich der mutmaßliche Täter als Dschihadist in Syrien oder im Irak aufgehalten habe, so PET-Chef Jens Madsen. Die Ermittler fanden eine Waffe, die die Tatwaffe sein könnte.
Ein Medienbericht stellt die Vorhaben des mutmaßlichen Täters anders dar: Der 22-Jährige habe im Gefängnis den Wunsch geäußert, für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien zu kämpfen. Die Gefängnisbehörden hätten seinen Namen deshalb auf eine Liste radikalisierter Häftlinge in dänischen Gefängnissen gesetzt, will die Zeitung „Berlingske“ am Montag erfahren haben. Die Behörden bestätigten den Bericht nicht.
Der erste Angriff hatte Samstagnachmittag dem Kulturzentrum Krudttönden gegolten, in dem eine Podiumsdiskussion über Meinungsfreiheit und Islam stattfand. Zu den Teilnehmern gehörten der französische Botschafter und der schwedische Künstler Lars Vilks, dessen Karikaturen des Propheten Mohammed Empörung in der islamischen Welt ausgelöst hatten. Dabei tötete der Schütze, der von außen in das Gebäude hineinschoss, einen 55-jährigen Zuhörer und verletzte drei zum Schutz von Vilks eingesetzte Polizisten.
Taxifahrer gab entscheidenden Tipp
Danach floh der Mann in einem dunklen VW Polo, der später in Kopenhagen gefunden wurde. Er setzte seine Flucht in einem Taxi fort und ließ sich nach Hause in seine Wohnung fahren. Von dort aus dürfte er später zum Anschlag auf die Synagoge aufgebrochen sein. Dort erschoss er einen jüdischen Wachmann, konnte jedoch nicht in das Gebäude, in dem sich zu dem Zeitpunkt rund 80 Menschen aufhielten, vordringen. Den entscheidenden Tipp bekamen die Ermittler in der Nacht von dem Taxifahrer.
Als die Beamten den Verdächtigen Sonntagfrüh vor dem observierten Haus in der Nähe des Bahnhofs Nörrebro im gleichnamigen Stadtteil angesprochen hätten, habe der Mann das Feuer eröffnet, berichtete die Polizei. Daraufhin hätten die Beamten zurückgeschossen und den Angreifer getötet. Der Anschlag auf das Kulturzentrum könnte dem Karikaturisten Vilks gegolten haben. Dieser blieb unverletzt. Er hatte sich zusammen mit der Mitorganisatorin der Diskussion, Helle Merete Brix, in einem Kühlraum verschanzt. Unter den Besuchern war auch der französischen Botschafter Francois Zimeray.
Schock in jüdischer Gemeinde
Das zweite Opfer, ein 37-jähriger Wachmann, der die Menschen kontrolliert, die in die Synagoge zur Feier einer Bat Mizwa kamen, konnte vor seinem Tod noch die Anwesenden warnen. Als die ersten Schüsse fielen, habe er die Musik ausgeschaltet und alle aufgefordert, in den Keller zu gehen, erzählte seine Mutter. Später habe er Polizisten geholfen, die Anwesenden durch einen Notausgang zu Bussen zu bringen. Auch zwei Beamte wurden bei dem Anschlag verletzt.
Nach Angaben des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde, Dan Rosenberg Asmussen, hatte die jüdische Gemeinde die Sicherheitsvorkehrungen nach den Terroranschlägen in Paris Anfang Jänner verstärkt. „Ich bin schockiert. Alle sind schockiert“, sagte Asmussen dem dänischen Fernsehen am Sonntag. „Das ist das, was wir immer befürchtet haben, und das, wovor wir die ganze Zeit gewarnt haben, dass es in Dänemark passieren könnte.“
Dänen gedenken der Terroropfer
Dänemark gedenkt am Montag mit zahlreichen Trauerkundgebungen der beiden Getöteten: Zur Hauptveranstaltung am Abend in Kopenhagen erwarteten die Veranstalter mindestens 13.000 Menschen. Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt wollte vor dem am Samstag überfallenen Kunstcafe eine Rede halten. Erwartet wurden zudem Kopenhagens Oberbürgermeister Frank Jensen, seine Pariser Kollegin Anne Hidalgo und der Redakteur der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, Patrick Pelloux. Weitere Gedenkveranstaltungen in weiteren Städten waren geplant.
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