Islamist beim Verfassungsschutz: "Ihr habt mich, aber der Plan geht weiter"
Der aufgeflogene Verfassungsschutz-Maulwurf hat laut Informationen von NDR, WDR und SZ in seiner Vernehmung angegeben, er handele im Auftrag Allahs. Es gibt aber noch viele offene Fragen.
In Berlin wächst die Kritik
Der mutmaßlich islamistische Maulwurf beim Verfassungsschutz hat laut Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" in seiner Vernehmung direkt nach seiner Festnahme die Vorwürfe weitgehend eingeräumt. M. gab auch zu Protokoll, dass er das BfV gezielt unterwandern wollte, um Glaubensbrüder vor Ermittlungen warnen zu können.
M. gab zudem an, dass er nach einer "Eingebung" zum Islam konvertiert sei. Er habe dies telefonisch gegenüber einem "Mohamed" aus Österreich getan. Auf die Frage der Vernehmungsbeamten, ob damit der bekannte österreichische Islamist Mohamed Mahmoud, der sich dem IS in Syrien angeschlossen hatte, gemeint sei, wollte M. keine weiteren Angaben machen. Mahmoud hielt sich im Jahr 2014, als M. angeblich konvertierte, zunächst in türkischer Haft und anschließend in Syrien auf.
Auf Nachfrage zu seiner "Eingebung" erklärte der 51-Jährige gegenüber den Ermittlern, dass er nicht verrückt sei. Zudem sagte er aus, Allah habe gewollt, dass er Informationen aus dem BfV an Islamisten verrate und dass er nach "Sham", also Syrien gehe wolle, wenn er freikomme. Im weiteren Verlauf der Vernehmung erklärte er, er habe "seinen Brüdern" helfen wollen, es gebe einen großen Plan zur Unterwanderung des BfV. M. erklärte, er sei nur ein Teil eines Räderwerks, Allah habe sich den Plan ausgedacht: "Ihr habt mich jetzt, aber der Plan geht weiter."
Gläubig oder nicht gläubig?
Wie gläubig und wie glaubwürdig M. wirklich ist, ist offenbar auch den Ermittlungsbehörden noch unklar. So hat er Frauen, etwa eine Ermittlerin und eine Richterin, offenkundig ignoriert, was als Hinweis auf seine salafistische Gesinnung gewertet wird. Andererseits wurde der von ihm genutzte Chatname auch auf Webseiten mit Gay-Pornos verwendet, was mit einer strengen Auslegung des Islam nicht vereinbar ist - jedoch bleibt bislang unklar, ob es tatsächlich M. war, der diese Pornoseiten besucht hat.
M. ist ein gelernter Bankkaufmann, kam als Quereinsteiger zum Verfassungsschutz und war erst seit April für das BfV tätig. Hier versah er seinen Dienst in einer Observationseinheit, die Islamisten beobachten soll. Zuvor war der Familienvater bei einer Bank beschäftigt. Wegen einer Umstrukturierung suchte er "nach einer neuen Herausforderung" - so jedenfalls erklärte es bei seinem Einstellungsgespräch. Die obligatorische Sicherheitsüberprüfung, die Bewerber beim Inlandsnachrichtendienst durchlaufen müssen, hatte M. offenbar problemlos durchlaufen. So verfügte er über einen guten Leumund, hatte sein Haus abbezahlt - und in seinem Umfeld wusste offenbar niemand, dass er zum Islam konvertiert war.
Bei seiner Festnahme wurden bei ihm Datenträger sichergestellt, die derzeit vom Bundeskriminalamt ausgewertet werden. Offenbar hatte M. gezielt Informationen zu den örtlichen Gegebenheiten des BfV, darunter zu Eingängen und Garagen, gesammelt. Bislang haben die Ermittler jedoch keine Hinweise, dass er diese auch an Personen aus der gewaltbereiten salafistischen Szene weitergegeben hat.
Haftbefehl erlassen
Gegen den 51-jährigen M. wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Düsseldorf Haftbefehl erlassen . Er soll versucht haben, Dienstgeheimnisse zu verraten und sich bereit erklärt haben, sich an einem Verbrechen zu beteiligen.
M. war am 16. November festgenommen worden. Dem Mann, der offenbar vor zwei Jahren von seinem Umfeld unbemerkt zum Islam konvertiert war, wird vorgeworfen, sich in einem islamistischen Forum gegenüber einem Chatpartner als Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) offenbart und dabei Details zu Einsätzen des Verfassungsschutzes verraten zu haben. Die Ermittlungen gegen den Verfassungsschützer waren zuerst durch eine Berichterstattung des "Spiegel" bekannt geworden.
In dem Chat soll der mutmaßlich islamistische Verfassungsschützer zudem vorgeschlagen haben, Gleichgesinnten Zugang zum BfV in Köln-Chorweiler für eine Gewalttat gegen "Ungläubige" zu ermöglichen. Dies sei "sicher im Sinne Allahs", außerdem sei er "zu allem bereit, um den Brüdern zu helfen". Was M. nicht wusste: Sein Chatpartner war ebenfalls Mitarbeiter des Verfassungsschutzes.
Berliner Unmut über Maaßen
In Berlin beginnt derweil die politische Aufarbeitung des Falles. So wird im Bundestag inzwischen deutliche Kritik an Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und seiner Informationspolitik gegenüber dem Parlament laut. Ein Innenpolitiker der Unionsfraktion sprach gegenüber NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" von Verärgerung darüber, dass man zunächst aus der Presse von dem Vorgang erfahren habe. Maaßen und seine Behörde hätten den Bundestag direkt über den Fall des mutmaßlich islamistischen Mitarbeiters beim Bundesamt informieren müssen, so der Abgeordnete.
"Das ganze Parlament ist es leid, sensible Sachverhalte aus den Nachrichtendiensten aus den Medien erfahren zu müssen. Das ist nicht nur schlechter Stil, ich halte das für einen echten Missstand", erklärte auch der SPD-Innenpolitiker Uli Grötsch. Sein Parteifreund Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, wies darauf hin, dass es zum wiederholten Male geschehen sei, dass die Presse vor den Abgeordneten von solchen Sachverhalten erfahre. "Da stellt man sich schon die Frage, wie lernfähig die dort Verantwortlichen eigentlich sind beziehungsweise ob hier immer wieder willentlich wichtige Informationen vorenthalten werden.“
Ähnliche Kritik kommt auch aus der Opposition. "Wenn wir als Parlamentarier und anscheinend selbst die Bundesregierung von solch sicherheitssensiblen Vorgängen nur aus der Presse erfahren, zeigt das den nicht vorhandenen Respekt des Verfassungsschutzes gegenüber den Institutionen unserer Demokratie. Es ist nicht das erste Mal, dass Herr Maaßen seine Behörde in der Kommunikation wichtiger Sachverhalte abschottet, als sei der Verfassungsschutz nur sich selbst gegenüber verantwortlich und rechenschaftspflichtig", erklärte Irene Mihailic, die innenpolitische Sprecherin der Grünen.
Maaßen musste am Nachmittag persönlich vor dem geheim tagenden parlamentarischen Kontrollgremium zu dem Fall berichten und sich den Fragen der Abgeordneten stellen.
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