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-   -   [Recht & Politik] AfD und PEGIDA als deutsche "Tea Party" (https://mygully.com/showthread.php?t=3612709)

TinyTimm 28.01.15 01:52

AfD und PEGIDA als deutsche "Tea Party"
 
Zitat:

Die großen Ängste des kleinen Mannes

Wochenlang war es eine der meistgestellten Fragen Deutschlands: Was treibt Zehntausende Menschen wöchentlich zu der PEGIDA-Demonstration in Dresden und zu Kundgebungen in anderen Städten? Zwischen islamkritisch und islamfeindlich wird die Bewegung eingeschätzt, erst langsam lichten sich die Nebel, und es zeigt sich, dass auch andere - wenn auch eher diffuse - Motivlagen die neuen rechten Wutbürger antreiben.

Rechts von der CSU dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei mehr geben, hatte einst CSU-„Übervater“ Franz-Josef Strauß gefordert. Natürlich gab es die immer - von den Republikanern bis zur NPD. Doch mit der Alternative für Deutschland (AfD) hat eine Partei die politische Bühne betreten, die das Potenzial haben könnte, deutlich größer zu werden. Und ein Schulterschluss von AfD mit der PEGIDA-Bewegung bahnt sich an, von „inhaltlichen Schnittmengen“ ist da die Rede. Gemeinsam wären sie wohl eine deutsche Variante der US-amerikanischen „Tea-Party“, die gegen die „Herrschenden“ und deren angeblich allmächtigen „Superstaat“ mobilmacht.

Furcht vor sozialem Abstieg

All diese Phänomene kommen nicht aus dem Nichts, sondern haben ihren Ursprung in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen - und diese lassen sich quer durch Europa und auch in den USA feststellen. Da sind zunächst die Auswirkungen der Wirtschaftskrise: Nach Jahrzehnten des Wachstums gibt es erstmals die breite reale Bedrohung des wirtschaftlichen und sozialen Abstiegs für größere Teile der Gesellschaft in der globalisierten Welt - mit einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich, ebenfalls eine Entwicklung, die zu Recht als ungerecht empfunden wird.

Linkes und rechtes Misstrauen gegen Mächtige


Auch daraus entstand in einigen Bevölkerungsteilen ein tiefes Misstrauen gegen die „Mächtigen“, „die da oben“, also gegen Politik, Medien und andere Institution, die noch dazu allesamt mit den Wirtschaftsbossen verbandelt sein sollen. Die Folgen dieses Unbehagens sind in fast allen europäischen Ländern zu spüren, sie zeigen sich aber höchst unterschiedlich.

In Griechenland und Spanien haben mit SYRIZA und Podemos neue linke Parteien enormen Zulauf, in Frankreich, Österreich und etlichen anderen Ländern fangen etablierte Rechtsparteien wie Front National und FPÖ diese Unzufriedenen ein. In Großbritannien und Deutschland entstanden mit United Kingdom Independence Party (UKIP) und AfD neue Parteien im rechten Spektrum.

Ausländerfeindlichkeit als instrumentalisierter Reflex

Auch dass Zuwanderung und die befürchtete Islamisierung als Themen so dominant sind, ist kein Zufall. Zunächst ist alles Fremde als Bedrohung zu empfinden - gerade in Zeiten grassierender Zukunftsängste. Das sei ein altbekannter und häufig politisch instrumentalisierter Reflex, schreibt etwa der Politikwissenschaftler Ian Buruma auf der Website Project Syndicate.

Die Unterbringung von Flüchtlingen ist nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland ein großes Thema - mit den großen Fluchtbewegungen aus dem syrischen Bürgerkrieg und aus Afrika wächst die Angst vor „Überfremdung“. Und mit den Gräueltaten der plötzlich aufgetauchten Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wuchs die Angst vor Islamismus, der noch dazu oft mit dem Islam in einen Topf geworfen wird.

„Tea-Party“ in Partei verankert

Dass Islamfeindlichkeit das beherrschende Motiv der durchaus heterogenen Masse an PEGIDA-Demonstranten ist, wurde mittlerweile durch eine Studie der TU Dresden infrage gestellt, ausgeprägtes Merkmal ist sie aber jedenfalls - und damit gibt es eine weiter Parallele zur „Tea-Party“. Freilich gibt es auch genügend Unterschiede: Die „Tea-Party“ ist als Strömung innerhalb der US-Republikaner in einer etablierten Partei verankert und hatte damit von vorherein weitreichendere Handlungsmöglichkeiten - und damit auch mehr Chancen, Schaden anzurichten. Sarah Palin, republikanische Vizepräsidentschaftskandidatin 2008, galt als Zugeständnis an die „Tea-Party“, wurde aber zum Sargnagel für die Präsidentschaftsambitionen von John McCain.

Fox News in USA, „Lügenpresse“ in Deutschland

Die „Tea-Party“ hat einen mächtigen medialen Verbündeten: Fox News, auf dem einige Politiker der Bewegung auch ins Moderatorenfach wechselten, gilt noch immer als ein Sprachrohr der Bewegung. In Deutschland gibt es gerade ein paar Zeitschriften und vor allem Webportale, die die Ideen von PEGIDA und Co. verbreiten. Diese erlebten zuletzt insofern einen Aufschwung, als sie zu den Zentralorganen all jener geworden sind, die für die „Mainstreammedien“ nur ein Wort haben: „Lügenpresse“.

Die Medien würden mit den „Mächtigen“ unter einer Decke stecken, gezielte „Desinformation“ verbreiten, die „Wahrheit“ nicht sagen etc. Die wohl wirklich kritikwürdige Tatsache, dass das Verhältnis von Politik und Journalisten manchmal zu nah ist, übersteigert sich in die Vorstellung eines einheitlichen Macht- und Meinungsapparats, wie auch immer der konkret funktionieren soll.

Medienmisstrauen durch Syrien und die Ukraine


Gleich mehrere Ereignisse der Weltpolitik ließen die Skepsis gegenüber der Medienberichterstattung wachsen: Im Syrien-Konflikt, zu dem es tatsächlich kaum gesicherte Informationen, aber viel Berichterstattung gab, wetterte man schnell gegen den Westen, der sich gegen die „legitime“ Regierung von Präsident Baschar al-Assad gewandt habe - und damit das Erstarken der Terrormiliz Islamischer Staat mitverschuldet habe. Auch an einem zweiten hochkomplexen Konflikt mit permanent ungesicherter Faktenlage erhitzten sich die Gemüter: der Ukraine-Krise. Die Berichterstattung wurde als tendenziell antirussisch wahrgenommen - wohl auch, weil sich Europa auf die Seite der Ukraine schlug.

„Putin-Versteher“

Demgegenüber bildete sich das Lager der „Putin-Versteher“, die etwa zu Recht anmerkten, dass der neuen Führung in Kiew fragwürdige Politiker bis hin zu Neonazis angehören. Jedenfalls wird aus dieser Perspektive die Politik von Russlands Präsident Wladimir Putin - inklusive der Einverleibung der Krim - als legitim und verständlich betrachtet. Dass sich Teile der neurechten Szene in Deutschland mit der Gesellschaftspolitik der Putin-Partei Geeintes Russland bestens vertragen, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Geteilt wird unter anderen die Abneigung gegenüber Homosexualität und modernen Geschlechterrollen.

Zentralregierung als Bedrohung der Freiheit

In diesem Bereich kann die „Tea-Party“ auf die lange Tradition von evangelikal-reaktionären Haltungen zurückgreifen. Vor allem im „Bible-Belt“ im Südosten der USA werden ultrakonservative Werte gepflogen: Abtreibung und Homosexualität werden verteufelt, das Recht auf das Tragen einer Waffe mit Freiheit gleichgesetzt.

Das Spektrum reicht von fromm lebenden Familien bis zu „patriotischen“ und militanten Gruppen, die vor allem einen Feind haben: die Zentralregierung in Washington. Dieser wird vorgeworfen, sie wolle die Freiheit des Einzelnen beschneiden. In diesem Fahrwasser entstehen seit jeher die abstrusesten Verschwörungstheorien, die davon ausgehen, dass die Regierung mit supergeheimen Methoden und ungeheurem Aufwand die Bevölkerung mundtot machen und knechten will.

Kaum widerlegbare Zirkelschlüsse

Mit Argumenten den Theorien beizukommen ist schwierig. Sie sind meist Zirkelschlüsse mit ihrer eigenen Logik - und daher kaum widerlegbar: Offizielle Untersuchungsergebnisse werden von Verschwörungstheoretikern nicht anerkannt, schließlich stammen sie ja von der Politik und den Behörden, die aus ihrer Sichtweise die Öffentlichkeit hinters Licht führen wollen. Das Aufdecken der tatsächlichen Bespitzelungsmethoden des US-Geheimdienstes NSA war freilich Wasser auf die Mühlen derjenigen, die an dunkle Mächte glauben.

Mittlerweile haben auch im deutschsprachigen Bereich ähnliche Thesen Hochkonjunktur, gerade auch im Umfeld von PEGIDA und Co. Von eher harmlosen Vermutungen über Machtnetzwerke ist man da offenbar schnell bei der abstrusen „Chemtrail“-Verschwörung, die Flugzeugkondensstreifen als Beweis für versprühte Chemikalien zur Massenmanipulation sieht.

Misstrauen gegenüber EU „färbt ab“

Auf der Suche nach der „Wahrheit“, die ja irgendwo da draußen sein soll, sind schnell die NATO, die US-Regierung, die internationalen Großkonzerne oder sonst jemand die „wahren“ Mächtigen der Welt, die nationalen Regierung nur deren Marionetten. Eine derartige Sichtweise ist für Europa eigentlich recht neu, „unter Verdacht“ stand bisher eher die EU als bürokratische Megaorganisation. Dass das nun „abfärbt“, lässt sich auch mit der Wirtschaftskrisenbewältigung in der EU erklären: Denn da hatten nicht die klassischen EU-Institutionen wie die Kommission das Sagen, sondern die Staats- und Regierungschefs - allen voran die deutsche Kanzlerin Angela Merkel.

Dass dabei die Interessen der Konzerne und Banken wohl einigen Einfluss auf Entscheidungen hatten, ist nicht von der Hand zu weisen. Doch auch hier werden prinzipiell kritikwürdige Vorgänge zu alles entscheidenden geheimen Machtzirkeln hochstilisiert.

Von der EU-Kritik zu christlichen Werten

Kein Wunder also, dass sich die AfD zunächst als EU-kritische Partei konstituiert hat - und erst in weiterer Folge die Politik der deutschen Regierung auch in anderen Themenfeldern infrage stellte. In den vergangen Wochen kam es dabei auch parteiintern zu Querelen - auch über die Positionierung gegenüber PEGIDA. Parteichef Bernd Lucke, der weiterhin seinen Fokus auf die EU-Frage richtet, kam zuletzt aus seinem Führungszirkel zunehmend unter Beschuss.

Gründungssprecher Konrad Adam und Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland setzten auf einen harten Kurs in Sachen Zuwanderung und Islam, EU-Parlamentarierin Beatrix von Storch macht mit einer ultrakonservativen Haltung bei Homosexuellenehe, Abtreibung und Gleichberechtigung Druck. Der Göttinger Politikwissenschaftler Michael Lühmann zog vergangene Woche in der Zeitung „Der Freitag“ auch hier eine Parallele zwischen Deutschland und den USA. Denn damit setze die AfD auf dieselbe Zielgruppe wie die „Tea-Party“ in den USA: die Evangelikalen, von denen es in Deutschland immerhin rund 1,3 Millionen gibt.
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Streit in SPD - Reden mit PEGIDA? [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...]

Destiny 28.01.15 11:34

Oha!

Ich wage zu bezweifeln, dass die Vergleiche mit der Tea Party die CDU/CSU in ihrem Kampf gegen die AfD, Pegida und Bürger dieses Landes irgendwie weiterbringen wird.

Was rechts neben der CDU/CSU angeht: Haben sie so schnell ihre ehemaligen Verbündeten (FDP) vergessen?

Nana12 28.01.15 12:16

Die Medien gleichen eher Goethes Zauberlehrling. Sie zündelten mehr oder weniger subtil an der öffentlichen Stimmung und wundern sich nun das diese Stimmung sich verselbstständigt. Zumindest was die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ausmachte.

Auch nicht schlecht, dass vollkommene von sich weisen von Verschwörungstheorien. Nie zuvor wurden in den Medien so breit Verschwörungstheorien gestreut wie im letzten Jahr. Wir wissen bis heute nicht wer auf dem Maidan auf wen geschossen hat, oder wer die MH17 wirklich abschoss. Trotzdem stand der Schuldige unmittelbar danach bereits fest. Ich erinnere mich auch noch an Golineh Atai von der Tagesschau, die auch wegen wilder Spekulationen dieser Art Journalistin des Jahres wurde.
Oder die wüste Beschimpfung all jener die den Medien nicht uneingeschränkt glaubten. Die galten bestenfalls als "Putin Versteher" schlimmstenfalls als Bezahlschreiber von Moskaus Gnaden (was man auf den eigenen Seiten technisch leicht hätte feststellen können). Die Süddeutsche machte deswegen ihren Kommentarbereich dicht. Eine andere Meinung, als die von ihnen verbreitete, war für die Redakteure offensichtlich unvorstellbar. Es musste eine andere Erklärung geben, und da flüchteten sie in die heile Welt der Verschwörungstheorien wo man sich Feinde zusammenbasteln kann wie man will.

Verschwörungstheorien bleiben Verschwörungstheorien, egal ob sie von offizieller Stelle kommen oder von der gescheiterten Existenz im stillen Kämmerlein.

Destiny 28.01.15 13:31

Nana12: Das ist bezüglich Nachrichten im eigenen Land aber auch nicht anders. Denk mal an die Meldung über den ermordeten Asylbewerber in Dresden. Da standen für Politiker und Medien sofort die Schuldigen fest: Anhänger von Pegida. Es gab sogar Märsche und was kam bei rum? Es war ein anderer Asylbewerber, aber es wird immer noch behauptet, es wäre für Asylbewerber in Dresden gefährlich.

Nana12 28.01.15 15:47

Nein, das hat sich der braune Mob selbst dazu gereimt. Richtig ist, dass Politiker einen Mord aus rassistischen Gründen als mögliches Tatmotiv angesehen haben. Und in Deutschland gibt es eine Tradition was Tatmotive angeht wenn es einen Ausländer trifft. Jüngstes Highlight waren die NSU Morde aka "Döner Morde".

Pegida kam ins Spiel weil die Mitbewohner sagten, sie würden Montags wegen den Demos nicht auf die Straße gehen. Und das [Link nur für registrierte und freigeschaltete Mitglieder sichtbar. Jetzt registrieren...].

Die Medien verstehen ihre Rolle in erster Linie als Wächter des Status quo. Das heißt nicht das auf der anderen Seite keine Rattenfänger sitzen - ganz im Gegenteil. Und einige kritische Zeitgenossen haben auch mit Pegida nichts am Hut.


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