Personalausweis-Pflicht für E-Mail und Messenger
Weil der Artikel bei netzpolitik.org sehr lang ist und die TKG Novelle als Volltext enthält, füge ich nur die Einführung dazu hier ein:
Zitat:
TKG-Novelle
Seehofer will Personalausweis-Pflicht für E-Mail und Messenger einführen
Das Bundesinnenministerium fordert eine anlasslose Personen-Vorratsdatenspeicherung mit verifizierten Daten aller Bürger:innen, die im Internet über Messenger oder E-Mail kommunizieren. Wir veröffentlichen den Volltext des Forderungskataloges.
03.03.2021 um 08:33 Uhr - Markus Reuter - in Überwachung - keine Ergänzungen
Das Bundesinnenministerium (BMI) will kurzfristig noch in die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) hereinverhandeln, dass Nutzer:innen von WhatsApp, Zoom, Skype, Signal, Threema, Telegram, iMessage, Facebook-Messenger, E-Mail und allen anderen „nummernunabhängigen interpersonellen TK-Diensten“ ihre Personalien bei den jeweiligen Anbietern verifiziert hinterlegen müssen. Das geht aus einem internen Papier des Ministeriums von Horst Seehofer (CSU) hervor).
Betroffen wären damit auf jeden Fall E-Mail-Dienste und alle Arten von Messengern. Da viele soziale Netzwerke auch Messenger anbieten, gibt es hier unter Umständen noch weitere Dienste, die darunter fallen könnten. Das BMI will, dass die Bürger:innen ihren Namen, die Anschrift sowie ihr Geburtsdatum den Anbietern übergeben. Diese sollen die Angaben verifizieren müssen, etwa mit Personalausweis oder Ident-Diensten.
Im BMI-Papier, welches der E-Mail-Anbieter Posteo am Dienstagabend veröffentlicht hat und das wir hier im Volltext publizieren, heißt es: „TK-Dienste sollen verpflichtet werden, Identifizierungsmerkmale zu erheben, zu verifizieren und im Einzelfall den Sicherheitsbehörden zur Verfügung zu stellen.“ Die Daten der Bürger:innen sollen zum Zweck einer möglichen künftigen Strafverfolgung flächendeckend gespeichert werden. Zusätzlich zur Vorratsdatenspeicherung der IP-Adressen, sollen nun also bei dieser Personen-Vorratsdatenspeicherung auch die Namen und Adressen aller Bürger:innen anlasslos festgehalten werden.
Posteo berichtet in dem Blogpost auch von informierten Kreisen, die bestätigten, dass das BMI möglichst viele der 15 Punkte aus dem Forderungspapier auf den letzten Metern in das Gesetz verhandeln wolle. Schon im Entstehungsprozess des Gesetzes hatte es viel Gerangel der beteiligten Ministerien gegeben, weil das Innenministerium möglichst viele Überwachungsbefugnisse in das Gesetz packen wollte.
„Beispielloser Angriff auf das freie Internet“
Linus Neumann, Sprecher des Chaos Computer Clubs, kritisiert gegenüber netzpolitik.org einen massiven Eingriff in die Grundrechte und einen maßlosen Ausbau der Überwachung aller Bürger:innen:
Das wäre ein beispielloser Angriff auf europäische Werte und das freie Internet. Dinge, mit denen wir uns sonst so gerne von China abgrenzen. Dieser Angriff auf die Kommunikationsfreiheit aller und die Meinungsfreiheit von Minderheiten sucht seinesgleichen und wäre ein maßloser Versuch, Grundrechte einzuschränken. Eine anlasslose Speicherung von Personendaten unbescholtener Bürger:innen auf Vorrat ist außerdem unverhältnismäßig und von einem autoritären Denken durchzogen, welches dem Grundgesetz widerspricht.
Es gibt noch weitere Gefahren, die mit dem Vorschlag einhergehen: Nutzer:innen müssten werbegetriebenen Datenkonzernen wie Google oder Facebook ihre wahre Identität samt Alter offenlegen. Die Verteilung von verifizierten Personendaten an Internetunternehmen in der ganzen Welt erhöht nicht nur die Attraktivität von Hacker-Angriffen, sondern führt bei Datenverlusten dazu, dass verifizierte Personendaten in Umlauf gelangen und beispielsweise für Identitätsdiebstahl genutzt werden können. Was vom BMI als Gewinn für die Sicherheit verkauft wird, würde für die Internetnutzer:innen zu mehr Unsicherheit führen.
Auch denkbar sind laut Posteo Auswirkungen auf die deutsche Internetwirtschaft, die von einer Abwanderungsbewegung der Nutzer:innen betroffen sein könnte. Das wiederum könnte dazu führen, dass internationale Dienste deutsche Nutzer:innen aussperren müssen. Inwieweit die Forderung überhaupt praktikabel umsetzbar wäre, ist ebenfalls unklar.
Nur eine Blendgranate?
Der Vorstoß von Innenminister Seehofer mutet auch deshalb absurd an, weil es in den letzten Monaten bereits Überlegungen der Bundesregierung gab, einen Identifikationszwang für Messenger einzuführen – und man sich explizit dagegen entschied. Die Idee stammt ursprünglich aus der Innenministerkonferenz und das Wirtschaftsministerium hatte erwogen, sie im neuen Telekommunikations-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG) umzusetzen. In einer schriftlichen Verbändeanhörung wurde sie jedoch von allen Seiten zerrissen. Die einhellige Meinung in Wirtschaft und Zivilgesellschaft: Grundrechtswidrig, teuer und unpraktikabel.
Am Ende entschied das Ministerium von Seehofers Unions-Kollege Peter Altmaier sich gegen den Identifizierungszwang (wir berichteten). Der Innenminister hat den Gesetzentwurf für das TTDSG gemeinsam mit dem Bundeskabinett im Februar beschlossen, jetzt versucht er es auf einem anderen Weg.
Posteo weist in seinem Blogbeitrag allerdings darauf hin, dass die Forderung nach Identifizierung aller Nutzer:innen nur ein Ablenkungsmanöver sein könnte, um von den 14 anderen Punkten des Papiers abzulenken. Es könnte dem Koalitionspartner SPD ermöglichen, das Schlimmste herauszuverhandeln und den anderen Punkten stillschweigend zuzustimmen.
Denn diese weiteren Punkte haben es in sich. So will das BMI auch Internetcafes, Krankenhäuser oder Hotels verpflichten, Daten für Auskunftsersuchen der Sicherheitsbehörden zu erheben und zu speichern. Der Kreis derer, die Daten für eine spätere mögliche Auskunft an den Staat speichern müssen, würde im großen Stil ausgebaut.
Der E-Mail-Dienstleister Posteo, der bislang nur wenige keine Daten seiner Nutzer:innen sammelt (Korrektur: Posteo wies uns daraufhin, dass sie explizit keine Daten sammeln), sieht darin einen Versuch, die Anbieter in eine ganz neue Rolle zu drängen: „Hier wird nun zielgerichtet konstruiert, dass immer alles erfasst werden muss, was für die Strafverfolgung notwendig ist – und nicht – wie bisher bei E-Mail-Diensten – nur das, was aus betrieblichen Gründen erforderlich ist.“
Mitwirkung beim Aufspielen von Staatstrojanern
Darüber hinaus will das Innenministerium Unternehmen, die Internetzugangs- oder Signalübertragungsdienste anbieten, verpflichten im Rahmen einer so genannten Quellen-TKÜ sowie bei Online-Durchsuchungen „Auskünfte zu erteilen und Hilfestellung zu gewähren“. Diese Anbieter sollen also verpflichtet werden, im Fall des Einsatzes von Staatstrojanern den Datenstrom so umzuleiten oder hierzu die notwendigen Hilfestellungen zu geben, dass die Sicherheitsbehörden Geräte von Nutzer:innen überwachen können.
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Quelle:
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Er kann es einfach nicht lassen, der Seehofer.
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