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Warum Internetnutzer gerade einen Ketchup-Konflikt austragen?
Wohin gehört eine angebrochene Flasche Ketchup? Diese Frage wird auf Twitter heftig diskutiert. Dahinter steckt cleveres Marketing, aber auch eine Streitlust jenseits wirklich brisanter Themen.
Von Markus Böhm

04.07.2023, 14.56 Uhr

Ketchup im Kühlschrank: Für manche ein ungewohnter Anblick
Foto: ingimage / IMAGO

Ist ein schlecht fotografiertes Kleid nun blau-schwarz oder weiß-golden? Heißt es der, die oder das Nutella? Immer wieder stürzen sich Internetnutzer voller Verve in Diskussionen, deren Ausgang für die Geschichte der Menschheit egaler kaum sein könnte. Primär im englischsprachigen Raum tobt seit rund einer Woche erneut eine solche Debatte über ein Allerweltsthema. In ihrem Mittelpunkt steht, und das nicht zum ersten Mal: Ketchup.

Befeuert hat die Diskussion diesmal der Soßenhersteller Heinz, dessen britischer Twitter-Account @HeinzUK vergangene Woche folgende Botschaft mit der Netzöffentlichkeit teilte: »Zu eurer Info: Ketchup. Gehört. In. Den. Kühlschrank!!!« Tausende Nutzerinnen und Nutzen markierten diese Ansage mit »Gefällt mir« oder verbreiteten sie weiter, 221 setzten sich sogar ein Lesezeichen. Zugleich aber gab es auch regen Widerspruch mit Kommentaren wie: »Ich werde diese Ketchup-im-Kühlschrank-Leute nie verstehen. Warum sollte ich kalten Ketchup auf heißes Essen geben?«

Seit vielen Jahren, vielleicht gar seit Erfindung des Kühlschranks, schlummert in der Frage, ob bereits angebrochene Ketchupflaschen dort hinein oder zurück in den Küchenschrank gehören, Konfliktpotenzial. »Menschen, die ihren Ketchup im Kühlschrank aufbewahren, ist nicht zu trauen«, schrieb die US-Rapperin Cardi B im Jahr 2019 auf Twitter . Vor sechs Jahren berichtete Today.com über »hitzige Debatten in den sozialen Medien« zu, na klar, genau diesem Ketchup-Konflikt.

Was machen »normale Menschen«?

Ausdiskutiert scheint das Thema aber noch lange nicht, nicht einmal zwischen Eheleuten. So schrieb am Montag die »Washington Post«-Autorin Emily Heil , sie habe von ihrem Mann jetzt erst erfahren, dass er den Ketchup eigentlich lieber im Küchenschrank aufbewahren würde, anders als die beiden es seit 18 Jahren praktizierten. Jahrelang hätten ihr Mann und sie »unsere Flasche Heinz wie normale Menschen in der Kühlschranktür verstaut«, klagte Heil. Sie frage sich nun, wer ihr Mann sei und welche Geheimnisse er noch verberge. Es ist auch diese Lust am Überinterpretieren der jeweiligen Position, die die Ketchup-Debatte so groß und unterhaltsam macht.

Einerseits lässt sie sich leicht als cleveres Social-Media-Marketing von Heinz abtun. Dazu passt, dass der Hersteller am Folgetag gleich noch eine Twitter-Umfrage hinterherschob, bei der sich immerhin knapp 37 Prozent der rund 13.000 Teilnehmer für den Küchenschrank aussprachen. All das hält die Marke Heinz, die in Großbritannien Marktführer ist, im Gespräch.

Zugleich schlägt der Ketchup-Streit wohl auch deshalb immer wieder Wellen, weil hier jeder munter mitdiskutieren kann. Klare Positionierungen führen auf öffentlichen Plattformen wie Twitter zwar oft schnell zu Solidarisierungen, genauso oft aber zu Anfeindungen, gerade bei politischen Themen. Das schreckt manche Menschen davon ab, in Diskussionen einzusteigen. Die Ketchup-Frage allerdings ist so ein Gaga-Thema, dass sich selbst in Zeiten von Buzzwords wie Cancel Culture wirklich jeder traut, dazu auch eine unpopulärere Meinung zu vertreten – welche tendenziell die ist, dass Ketchup in den Küchenschrank gehört. Denn beim Thema Ketchup geht es nun mal nicht um Leben und Tod, um Geld und Not, sondern vor allem um die persönliche Sozialisation. Um kleine Küchenrituale.

Das steht auf den Ketchupflaschen

Heinz selbst hat sich zu der Frage, ob Ketchup in den Kühlschrank gehört, schon auf seinen Verpackungen eindeutig positioniert. Auf deutschen Flaschen etwa heißt es »Nach dem Öffnen gekühlt aufbewahren« und auf den britischen Flaschen »Nach dem Öffnen kühlen und innerhalb von acht Wochen verzehren«. Vage klingt das Ganze nur in den USA: »Für die besten Ergebnisse: Nach dem Öffnen kühlen«, heißt es dort.

Dass die Ketchup-Debatte trotz solcher Hinweise jemals endet, darf bezweifelt werden, allein wegen der Streitlust vieler Menschen.

Für ein ewiges Hin und Her spricht auch der eingangs erwähnte Fall Nutella. Denn zu seiner Nuss-Nougat-Creme ließ der Hersteller Ferrero schon mehrfach verlauten, dass es sich um einen Markennamen handle, für den es keinen offiziellen Artikel gebe. Sprich: Man kann der, die oder das Nutella sagen, laut der Erfinder des Wortes ist das alles richtig. Aus Marketingsicht ist natürlich auch diese Haltung clever: So können und werden die Diskussionen über Nutella wohl nie abebben.

Die Diskussionen über DIE Nutella, wenn Sie mich fragen.

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