Viele Experten halten Long Covid jetzt schon für die neue Volkskrankheit. Noch ist unklar, wie viele Menschen betroffen sind. In seiner vierten Corona-Reportage widmet sich der Arzt Eckart von Hirschhausen den Langzeitfolgen der Covid-Erkrankung
Der Sommer ist da und viele wollen von Corona nichts mehr hören. Doch es gibt eine Gruppe, deren Alltag weiter permanent von Corona bestimmt und eingeschränkt wird: Menschen mit Long Covid. In seiner vierten Corona-Reportage widmet sich Eckart von Hirschhausen erneut den Langzeitfolgen der Covid-Erkrankung – zu sehen ist 'Hirschhausen und Long Covid. Die Pandemie der Unbehandelten' ab sofort in der ARD Mediathek.
Was ihn zu seinem vierten Corona-Film motiviert hat, das beschreibt Eckart von Hirschhausen in der WDR-Reportage so: "Nach meiner letzten Doku über Long Covid haben mir unfassbar viele Menschen geschrieben. Menschen, die kaum Gehör finden. Für sie mache ich diesen Film." Es sei ein Film über Ärztinnen und Ärzte, die ihren Patientinnen und Patienten gerne helfen würden, doch denen die Unterstützung fehlt. Über verzweifelte Betroffene, die sich selbst helfen. Über Therapien, die kontrovers diskutiert werden. Und über Ärzte, die Long Covid immer noch für ein Psycho-Problem halten, sagt Hirschhausen. "Und es geht auch darum, ob die Politik genug Verantwortung übernimmt."
Keine Studien, keine Therapien
Viele Long-Covid-Betroffene, mit denen Eckart von Hirschhausen spricht, sind verzweifelt: Nach zwei Jahren Pandemie gibt es immer noch keine evidenzbasierten Therapien, noch immer treffen sie auf Ärzte und Ärztinnen, die in ihrem Praxisalltag mit dem komplexen Krankheitsbild überfordert sind. Noch immer fehlt eine Task-Force und eine koordinierte Grundlagen-, Therapie- und Versorgungsforschung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagt im Film: "Wir haben längst eine Pandemie der unbehandelten Long-Covid-Patienten."
Corona und Long Covid: Wie viele es trifft und wer gefährdet ist
Von Hirschhausen: "Hunderttausende Menschen ohne Behandlung"
Einige Ärztinnen und Ärzte und Professorinnen und Professoren sagen, die Krankheit sei in erster Linie psychosomatisch. Andere denken, Long Covid sei ein langsamer Heilungsprozess, den man nur abwarten müsse. "Doch es ist eine schwere, andauernde Krankheit, die bei 20 Prozent der Long-Covid-Betroffenen zu starken Einschränkungen im Alltag bis hin zu massiven Behinderungen führt", so Eckart von Hirschhausen.
"Das sind hunderttausende Menschen, die ohne Behandlung kaum Aussicht auf Besserung haben und deren Zustand oft chronisch wird", kritisiert Eckart von Hirschhausen. "Es fehlen systematische Studien, aus denen Behandlungsmethoden und Medikamente resultieren, die den Betroffenen helfen. Und es gibt nur wenige Ärztinnen und Ärzte, die bereit sind, in der aktuellen Situation individuelle Heilversuche zu wagen."
Von Hirschhausen im Frühjahr selbst an Covid erkrankt.
Der Arzt und Moderator litt im Frühjahr selbst an Covid. Nach der Infektion Mitte März wurden bei einer Blutuntersuchung "micro-clots" in seinem Blut diagnostiziert. Kleine Gerinnsel, vermutlich mitverantwortlich für Long Covid. Er unterzieht sich einer experimentellen Behandlung, der Blutwäsche. Eine Therapie, die anschlägt? Jedenfalls berichten viele Long-Covid-Patienten, dass es ihnen danach deutlich besser geht. Eckart von Hirschhausen taucht ein in die Pionierarbeit von Ärzten und Patienten, die auf eigenes Risiko handeln.
Postvirales Erschöpfungssyndrom
Bei seinen Recherchen lernt er auch ME/CFS-Erkrankte kennen: Mindestens 250.000 Menschen leiden deutschlandweit an diesem postviralen Erschöpfungssyndrom. Auch sie warten seit Jahren auf wirksame Therapien. Ein Teil der Long-Covid-Patienten entwickelt dieses schwere Krankheitsbild ME/CFS. Charakteristisches Symptom ist ein totaler Erschöpfungszustand nach schon kleinen geistigen oder körperlichen Anstrengungen.
Long-Covid-ähnliche Symptomen auch nach Impfung
Eckart von Hirschhausen stößt auf ein weiteres Problem: Einige Menschen bekommen durch die Impfung das Post-Vakzin-Syndrom mit Long-Covid-ähnlichen Symptomen. Auch diese Post-Vakzin-Patienten finden im Gesundheitssystem bislang kaum Gehör und müssen für eine sinnvolle Diagnostik und Behandlung lange kämpfen.
Eckart von Hirschhausen ist der Meinung, dass auch drüber gesprochen werden muss: "Ja, eine Impfung kann zu sehr seltenen unerwünschten, vermutlich autoimmunen Nebenwirkungen führen. Darüber muss offen gesprochen und vor allem geforscht werden." Diese kleine Gruppe von Menschen brauche Anlaufstellen, Anerkennung und Unterstützung, sonst würden zukünftige Impfkampagnen es noch schwerer haben als bisher schon.
Eckart von Hirschhausen trifft auch eine Ärztin, die nach einer Impfung sehr schwer an Long Covid erkrankte und die ihre massiven Beschwerden durch experimentelle Heilversuche überwinden konnte.
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