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15.07.19, 17:44
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#1
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Download-Master
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Ist das Elektroauto wirklich ein Irrweg?
Zitat:
Ist das Elektroauto wirklich ein Irrweg?
In den vergangenen Monaten ist die Kritik an batteriebetriebenen Elektroautos stärker geworden. Golem.de hat sich die Argumente der vielen Kritiker zur CO2-Bilanz und zum Rohstoff-Abbau einmal genauer angeschaut.

Je ernster es Politik und Autoindustrie mit dem Elektroauto meinen, desto größer scheint die grundsätzliche Kritik an der Batterietechnik zu werden. Sei es der mit Produktion und Betrieb verbundene Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid, der Abbau der Rohstoffe wie Kobalt und Lithium oder der erforderliche Ausbau des Stromnetzes: Die batteriebetriebenen Elektroautos werden als "Sackgasse" bezeichnet, die weder die Umwelt- noch die Verkehrsprobleme der Zukunft lösen können. Doch was ist wirklich dran an den vielen Vorwürfen?
Die Kritik an batteriebetriebenen Elektroautos ist alles andere als neu. Dabei geht es meist um die Frage, wie alltagstauglich solche Fahrzeuge sind, um Verbrennermodelle zu ersetzen. Bemängelt werden meist der hohe Preis, die langen Lieferzeiten, die geringe Reichweite und die schwierige Ladesituation. Doch manche Kritiker, wie der frühere Bundestagsabgeordnete und Verkehrsexperte Winfried Wolf, gehen noch deutlich weiter. Sie sehen in der massenhaften Produktion von Elektroautos selbst dann einen Irrweg, wenn die technischen Probleme hinsichtlich Reichweite und Laden gelöst werden sollten. Aus der rechten Ecke wiederum wird suggeriert, wahlweise die Grünen oder Brüssel wollten der Bevölkerung die geliebten Diesel-Autos wegnehmen.
Kritische Dokumentationen und Bücher
Bestätigt sahen sich die Kritiker zuletzt durch mehrere Dokumentationen und Berichte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und durch verschiedene Studien, auf die wir näher eingehen werden. So fragte eine ARD-Dokumentation Anfang Juni 2019 provokant: "Kann das Elektroauto die Umwelt retten?" Der Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist Harald Lesch ging wenige Tage später in einem Terra-X-Video der Frage nach, ob ein Lithium-Akku besser als eine Brennstoffzelle sei. Schon im April 2019 hatte das Münchner Ifo-Institut dem Elektroauto in einer Studie (PDF) eine schlechte Klimabilanz unterstellt. Viel Wasser auf die Mühlen der Elektroauto-Kritiker.
Auch wenn hinter den Vorwürfen manche Denk- und Rechenfehler stecken, sollte man sie nicht pauschal als unberechtigt abtun. Die Argumente, die beispielsweise Wolf in seinem 216-seitigen Buch "Mit dem Elektroauto in die Sackgasse" zusammengetragen hat, beruhen schließlich nicht auf dubiosen Quellen, sondern auf Hunderten Studien und Zeitungsartikeln.
Jedes Argument wird genommen
Wer gegen den massenhaften Einsatz von Elektroautos ist, will damit nicht unbedingt den Bau von Verbrennerautos unbegrenzt verlängern, sondern den motorisierten Individualverkehr generell durch umweltfreundlichere Konzepte ersetzen. Da stört es natürlich immens, wenn plötzlich SUVs mit 2,5 Tonnen Leergewicht wie der Mercedes EQC oder der Audi E-Tron als ökologisches Fortbewegungsmittel gehypt werden.
Einem Elektroauto-Gegner wie Wolf ist allerdings kein Argument abseitig genug, um es gegen Bau und Nutzung dieser Fahrzeuge ins Feld zu führen. Selbst die geringen Geräuschemissionen werden als Nachteil gebrandmarkt, da sie zu mehr Unfällen führen könnten. Für dieses Problem gibt es schon längst eine gesetzliche Regelung. Doch es bleiben nach Abzug solcher Argumente noch genügend Punkte, auf die durchaus geachtet werden sollte, wenn die Elektrifizierung des Fahrzeugbestandes umgesetzt werden soll. Häufiger Ausgangspunkt der Kritik ist eine schwedische Meta-Studie, wonach ein Elektroauto schon vor dem ersten Kilometer einen enormen Ausstoß an CO2 verursacht hat.
Ist die CO2-Bilanz wirklich so schlecht?
Die 58-seitige Studie vom Mai 2017 (PDF) geht dabei von einem durchschnittlichen CO2-Äquivalent von 150 bis 200 Kilogramm pro Kilowattstunde (kWh) Batteriekapazität aus. Zwischen 350 und 650 Megajoule seien bei der Akkuherstellung pro kWh erforderlich, was umgerechnet einer elektrischen Energie von 97 bis 180 kWh entspricht. Hochgerechnet auf einen Akku von der Größe eines Tesla Model S mit 100 kWh würde das bedeuten, dass alleine durch die Produktion der Batterie 17 Tonnen CO2 ausgestoßen und bis zu 18.000 kWh Energie benötigt würden. Bei einem Verbrauch von 8 Litern Diesel pro 100 Kilometer müsste man 80.000 Kilometer fahren, um auf denselben Ausstoß zu kommen.
Doch diese Vergleichsrechnung lässt zwei wichtige Faktoren außer Acht: Denn die CO2-Bilanz ist der Studie zufolge stark davon abhängig, welche Energie bei der Zell- und Batterieproduktion genutzt wird. "Diese Untersuchung zeigt, dass unter Annahme der aktuellen Produktionsemissionen der Strommix des Produktionsstandorts das Gesamtergebnis stark beeinflusst. Dies liegt daran, dass die Herstellung einen großen Teil des Lebenszyklus ausmacht und der größte Teil der Produktionsenergie elektrisch ist", schreiben die Autorinnen Mia Romare und Lisbeth Dahllöf.
Nur die wenigsten Elektroautos haben 100 kWh
Zum anderen verfügen nur die wenigsten Elektroautos über eine Batteriekapazität von 100 kWh. Gerade die geplanten Autos für den Massenmarkt, wie der VW ID oder der Opel Corsa, sollen nur mit einer halb so großen Batterie ausgeliefert werden. Reine Stadtautos, wie der Aachener e.Go, brauchen sogar weniger als 25 kWh an Akkukapazität. Damit kann sich die CO2-Bilanz eines Elektroautos deutlich verbessern.
Stammt der Produktionsstrom sogar aus erneuerbaren Energien, wie es Tesla-Chef Elon Musk für seine Gigafabrik in Nevada behauptet, würde sich der Vorteil der Elektroautos gegenüber einem Verbrenner noch einmal vergrößern. "Dies als ahnungslos zu bezeichnen, wäre großzügig. Viel weniger Energie wird für Lithium-Ionen-Batterien benötigt & die Gigafabrik wird ohnehin mit Erneuerbaren versorgt", hatte Musk bereits im Juni 2017 als Reaktion auf die Studie getwittert.
Ifo-Studie sieht Diesel im Vorteil
Doch selbst wenn ein Elektroauto möglichst klimaneutral hergestellt wird: Beim Laden der Batterie wird ebenfalls Strom gebraucht, der irgendwie erzeugt werden muss. Hier setzt die inzwischen viel kritisierte Studie des Münchner Ifo-Instituts an (PDF). "Es zeigt sich, dass der CO2-Ausstoß des Elektromotors im günstigen Fall um etwa ein Zehntel und im ungünstigen Fall um ein gutes Viertel über dem Ausstoß des Dieselmotors liegt", schrieben darin die Autoren Christoph Buchal, Hans-Dieter Karl und Hans-Werner Sinn. Zugrunde gelegt wurde dabei die oben erwähnte schwedische Metastudie sowie "alternative marginale Energiequellen für den Strom sowie der tatsächliche Strommix Deutschlands aus dem Jahr 2018".
Große Schwachpunkte der Studie waren jedoch unter anderem die Annahme, dass eine Batterie bei einem Tesla Model 3 nur eine Nutzungsdauer von 150.000 km aufweist, die auf eine jährliche Fahrleistung von 15.000 km in zehn Jahren verteilt wurde. Ebenfalls wurde kritisiert, dass die Studie die Verbrauchswerte nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) berücksichtigt, die gerade im Falle des Diesel viel zu niedrig angesetzt sein sollen. Während die tatsächlichen Werte beim Diesel um 40 Prozent höher liegen, sollen es beim Elektroauto nur acht Prozent sein.
Andere Studien ergeben das Gegenteil
Darüber hinaus wurden zu hohe CO2-Werte für den Strommix angenommen. Der Einsatz von reinem Ökostrom wurde mit dem Argument abgetan, dass dieser Strom dann nicht mehr für andere Zwecke genutzt werden könne. "Es drängt sich der Verdacht auf, dass ein bestimmtes Ergebnis zu Gunsten des Diesels erreicht werden sollte", kritisierte die Wirtschaftswoche und verwies auf anderslautende Studien des Fraunhofer Instituts ISI, des Thinktanks ICCT und Agora Energiewende (PDF).
Unter Idealbedingungen könne hingegen der vom Ifo-Institut angenommene CO2-Ausstoß von 155 Gramm pro Kilometer auf 31 Gramm reduziert werden, schrieb Spiegel Online auf Basis eigener Berechnungen. Damit wäre das Elektroauto deutlich klimafreundlicher, als es ein Verbrenner je sein könnte. Allerdings stellt sich die Frage, ob und wann solche Idealbedingungen erreicht werden können. Das Freiburger Öko-Institut kommt derzeit zu dem Schluss: "Ersetzt man ein mittleres Dieselfahrzeug mit einer Lebenslaufleistung von 180.000 Kilometern durch ein vergleichbares Elektroauto, so spart man über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs etwa ein Drittel der Treibhausgasemissionen ein."
Dienen Elektroautos nur dem Greenwashing der Konzerne?
Wenn diese Einschätzung zutrifft, ist daher in der Tat fraglich, warum Elektroautos von der EU-Kommission mit einem CO2-Ausstoß von 0 kg/km berechnet werden. Diese Einstufung führt nach Ansicht von Verkehrsexperten wie Winfried Wolf wiederum dazu, dass Konzerne wie Volkswagen plötzlich die Vorzüge der Elektromobilität entdecken und gar nicht schnell genug ihre Flotten elektrifizieren können. Denn nur auf diese Weise könnten die Vorgaben für die durchschnittlichen Flottenemissionen erzielt werden. BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich sagte Ende Juni 2019 sogar: "Es gibt keine Kundennachfrage nach vollelektrischen Autos. Keine. Es gibt regulatorische Erfordernisse für Elektroautos, aber keine Kundennachfragen."
Die scheinbaren Null-Emissionsautos mit Elektroantrieb dienen Kritikern zufolge nur dazu, Autoproduktion und -verkauf auf bisherigem Niveau zu halten oder gar noch zu steigern. Anstatt die CO2-Emissionen durch kleinere Verbrennerautos mit weniger Verbrauch zu senken oder gar ein Tempolimit einzuführen, habe die Autoindustrie eine neue Absatzstrategie gefunden. Zudem könne sie dadurch von ihrem Betrug bei den Diesel-Abgasen ablenken und sich ein ökologischeres Image verpassen.
Weltweiter Pkw-Bestand soll zunehmen
Gerade zu ernüchternd erscheinen dabei die Prognosen für die Entwicklung des weltweiten Pkw-Bestandes. Dieser soll laut Wolf bis zum Jahr 2025 von derzeit 1,235 Milliarden auf 1,5 Milliarden steigen. Selbst unter optimistischen Annahmen liege der Anteil der Elektroautos am Pkw-Bestand dann nur bei zehn Prozent. Die Elektroauto-Quote von zehn Prozent in China dient nach Einschätzung von Experten ohnehin vor allem dazu, einen weltweit konkurrenzfähigen Autohersteller aufzubauen und die ******* Luftverschmutzung zu verringern. Eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes durch den motorisierten Individualverkehr dürfte daher in den kommenden Jahren nicht zu erwarten sein. Die weniger entwickelten Länder setzen laut Wolf weiter voll auf den Einsatz von Verbrennungsmotoren. Der hohe Preis und die fehlende Ladeinfrastruktur dürften dort noch mehr Käufer als hierzulande abschrecken.
Die Logik scheint in der Tat absurd: Um weiterhin schwere SUV mit hohem Kraftstoffverbrauch verkaufen zu können, produziert die Autoindustrie nun noch schwerere Elektro-SUV. Die tatsächliche Klimabelastung bei Produktion und Betrieb der Elektroautos spielt dabei keine Rolle, da sie als Null-Emissions-Fahrzeuge gelten. Vor diesem Hintergrund scheint es wenig nachvollziehbar, wenn gerade aus dem rechten Umfeld immer wieder gegen Elektroautos gestänkert wird. Schließlich tragen sie mit dazu bei, dass in den nächsten Jahren überhaupt noch große Spritschleudern verkauft werden können.
Rohstoff-Problematik wird plötzlich zum Problem
Beinahe grotesk erscheint in diesem Zusammenhang, dass viele Elektroauto-Gegner plötzlich ihr Herz für die Umwelt- und Lebensbedingungen in Ländern entdecken, die die wichtigen Rohstoffe für Batterien und Motoren liefern sollen. Zu den Rohstoffen zählen Metalle wie Lithium, Kobalt und Kupfer, die unter anderem in afrikanischen Staaten wie Kongo oder südamerikanischen Ländern wie Argentinien, Chile und Bolivien abgebaut werden. Die eingangs erwähnte ARD-Dokumentation hat sich vor allem mit der Lithium-Produktion im Norden Argentiniens befasst, die schlimme Nachteile für die dortige Natur und die dort lebenden Menschen haben soll.
Wie schädlich ist der Lithium-Abbau?
Doch wer einmal die Gegend rund um den riesigen Salzsee von Uyuni (Salar de Uyuni) bis hin zur Atacama-Wüste im Norden Chiles bereist hat, kann sich kaum eine trostlosere Landschaft auf der Erde vorstellen. Für einen Science-Fiction-Film über eine Reise zum Mars findet jeder Regisseur dort ideale Kulissen. Das Blog Der Graslutscher, das sich umfassend mit der ARD-Doku auseinandergesetzt hat, kommt zu dem Schluss: "Wenn ich mir bei einer guten Fee wünschen könnte, in welchen Gebieten der Erde neue Erzadern für Zukunftstechnologien gefunden werden, ich würde mir ein paar extrem dünn besiedelte Wüsten aussuchen."
Zweifellos stellt der Lithium-Abbau einen Eingriff in die dortige Umwelt dar. Durch das Abpumpen der salzhaltigen Sole sinkt der Grundwasserspiegel. Um eine Tonne Lithium zu erhalten, sei je nach Konzentration eine Menge von 0,4 Millionen bis 2,0 Millionen Litern Sole erforderlich, berichtete das Handelsblatt. Da für einen Akku wie beim Tesla Model S etwa 12 Kilogramm Lithium benötigt werden, sind dafür zwischen 4.800 und 24.000 Liter Sole hochzupumpen. Die ARD-Doku spricht hingegen von 80.000 Litern und beruft sich dabei offenbar auf ein Papier der Hilfsorganisation Brot für die Welt (PDF). Der Unterschied erklärt sich dadurch, dass Brot für die Welt von einem Bedarf von 40 Kilogramm Lithium pro Batterie ausgeht.
Lithium-Abbau als Chance für Bolivien
Die ARD-Doku orientiert sich vor allem an der Abbausituation in Chile und Argentinien. In Bolivien hingegen, wo fast 20 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen lagern, will die Regierung unter Präsident Evo Morales die Interessen der Bevölkerung berücksichtigen und selbst versuchen, Lithium-Ionen-Batterien für den Weltmarkt herzustellen. "Bislang befürchten die Gemeinden keine negativen Auswirkungen durch den Lithium-Abbau. Vielmehr verfolgen sie mit Interesse die staatlichen 'Erfolgsmeldungen' der Lithium-Behörde und sind stolz darauf, ein Teil des neuen eigenständigen Weges zu sein, Bolivien weiterzuentwickeln", schreibt Brot für die Welt. Deutsche Unternehmen wie K-Utec Salt Technologies und ACI Systems unterstützen Bolivien bei diesem Versuch. Langfristig sollen in Uyuni jährlich 30.000 Tonnen Lithium produziert werden. Das würde für rund 2,5 Millionen Autoakkus reichen.

Ein weiterer Vorteil: Seit Jahrzehnten wandern die Menschen aus dem Hochland Boliviens in das Tiefland des Amazonas ab, wo Wälder für Viehzucht und den Anbau von Soja (und Koka) verschwinden. Vor allem mit Blick auf die jahrhundertelange Ausbeutung der indigenen Bevölkerung durch den Bergbau in Bolivien bietet die Lithium-Produktion im Hochland neue Perspektiven. Es ist eher der Klimawandel, der die Lebensgrundlage vieler Menschen im Hochland bedroht. Denn die Gletscher der Anden ziehen sich stark zurück oder sind schon komplett verschwunden. Das gefährdet die Wasserversorgung auch für Millionenstädte wie La Paz, was weit gravierendere Auswirkungen als der Lithium-Abbau haben würde.
Negative Folgen von Erdölproduktion werden verschwiegen
Eine ressourcenschonende Produktion von Lithium, die die Interessen der Bevölkerung berücksichtigt, ist daher durchaus möglich, wenn die Regierung und die Betreiber darauf achten. Auch in Argentinien hat die K-Utec als Partner der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ein solches Verfahren erprobt. Doch davon erfahren die Zuschauer der ARD-Doku nichts. Ebenfalls werden die hohen Umweltbelastungen bei Produktion und Transport von Erdöl verschwiegen. Und zwar in Regionen, die längst nicht so lebensfeindlich wie das Hochland der Anden sind.
Kommt das Stromnetz an seine Grenzen?
Doch selbst wenn das Lithium ohne große Umweltschäden hergestellt werden könnte, werden Zweifel an der Massentauglichkeit der Elektromobilität geweckt. So macht der ZDF-Journalist Lesch im erwähnten Videobeitrag die Rechnung auf, dass das Stromnetz niemals die Leistung liefern könne, um das Aufladen der Akkus zu garantieren. Die bereitgehaltene Kraftwerksleistung müsse dazu um das Fünffache von derzeit 68,5 Gigawatt auf 350 Gigawatt gesteigert werden. Dabei geht Lesch davon aus, dass eine Million Elektroautos gleichzeitig an eine Schnellladesäule mit 350 Kilowatt angeschlossen werden könnten. Lesch sieht daher die Wasserstofftechnik im Vorteil, obwohl bei der Erzeugung und Nutzung des Flüssiggases hohe Verluste entstehen.
Eine ähnliche Rechnung hatte schon der Diplomphysiker und Kabarettist Vince Ebert in einer Kolumne vom März 2017 aufgestellt. Dabei ging er anders als Lesch davon aus, dass zunächst nur 100.000 Autos gleichzeitig mit 350 Kilowatt geladen würden. Dafür wären 35 Gigawatt nötig. In einer weiteren Rechnung setzte er voraus, dass bei 60 Millionen Elektroautos in Deutschland diese alle zwei Tage eine halbe Stunde ans Netz gehen müssten. Dafür seien dann "140 neue Kraftwerke oder 220.000 Windräder oder eine Fotovoltaikanlage von der Größe des Saarlands" erforderlich.
Keine 100.000 Schnellladepunkte geplant
Zwar sind Lesch und Ebert keine Elektroingenieure, sondern Physiker, doch das sollte sie nicht daran hindern, ihre Theorien stärker an der Realität zu überprüfen. So ist die Vorstellung völlig absurd, dass eine Million Schnellladesäulen mit 350 Kilowatt in Deutschland bereitgestellt werden müssten. Solche Säulen sind vor allem entlang der Autobahnen sinnvoll und erforderlich. Gerade nachts können Elektroautos mit deutlich weniger Leistung langsam aufgeladen werden. Selbst 100.000 Schnellladepunkte mit 350 kW - wie nach Eberts Rechnung - wird es nicht geben. Zudem ließe sich mit Hilfe von Lastmanagement eine Überlastung des Stromnetzes vermeiden.
Bei seiner zweiten Rechnung setzt Ebert voraus, dass ein Elektroauto alle zwei Tage rund 175 kWh nachlädt. Das würde eine Fahrleistung von rund 150.000 Kilometern im Jahr ergeben - was völlig unrealistisch ist. Es ist daher kein Zufall, dass die Energieversorger bislang keine besonderen Probleme für ihre Netze erwarten, wenn es künftig viel mehr Elektroautos geben sollte. Dennoch werden die Rechnungen von Lesch und Ebert im Netz gerne als Beleg genommen, dass die Sache mit der Elektromobilität doch gar nicht funktionieren kann.
Sind Elektroautos nur etwas für Reiche?
Derzeit nicht zu leugnen ist die Tatsache, dass noch kein Elektroauto auf dem Markt zur Verfügung steht, das bei Preis und Reichweite mit einem Verbrenner mithalten kann. Große Elektroautos seien daher nur ein Vergnügen für Reiche, die sich am liebsten solche Fahrzeuge als Zweit- oder Drittwagen in die Garage stellen würden, kritisiert daher Wolf. Für einkommensschwache Autofahrer sei diese Art der Elektromobilität hingegen noch nicht verfügbar.
Dieser Einwand ist zweifellos richtig, wenn die Reichweite als Kriterium genommen wird. Aber es ist leider auch ein Teil des Problems, dass die bisherige Mobilität auf Basis fossiler Energie viel zu günstig war und die Folgeschäden, die bei der Klimaerwärmung überhaupt noch nicht abzusehen sind, nicht berücksichtigt und eingepreist wurden. Von den vielen anderen negativen Folgen wie Verkehrstoten, Flächenverbrauch, Zersiedelung sowie Lärm und Abgasen ganz abgesehen. Die Regierungen sollten daher nicht nur die Elektroautos und Ladeinfrastruktur fördern, sondern auch andere ökologische Mobilitätsformen, wie beispielsweise die schienengebundene Elektromobilität. Zudem können neue Mobilitätsangebote wie elektrisches Carsharing dazu führen, dass vor allem in den Städten auf den Privatbesitz eines Autos leichter verzichtet werden kann.
Elektromobilität erst am Anfang
Übersehen wird dabei auch, dass die Entwicklung der Elektromobilität erst ganz am Anfang steht. Das räumt selbst Tesla-Chef Elon Musk ein. Möglicherweise stehen künftig andere Akkutechniken zur Verfügung, die eine günstigere und ressourcenschonendere Produktion mit mehr Kapazität ermöglichen. Dafür muss es aber zunächst eine ausreichende Nachfrage geben, damit Regierungen und Unternehmen entsprechende Forschungsmittel bereitstellen.
Doch selbst bei dem heutigen Stand der Technik muss man festhalten: Jedes Verbrennerauto, das noch produziert und verkauft wird, verlängert die Abhängigkeit vom Öl. Jedes produzierte Elektroauto besitzt hingegen das Potenzial, noch viele Jahre mit Ökostrom angetrieben zu werden. Immerhin lag der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion in Deutschland im ersten Halbjahr 2019 bei 44 Prozent, was die CO2-Emissionen um 15 Prozent von 136 Millionen Tonnen auf 116 Millionen Tonnen senkte.
Elektroautos als Teil der Energiewende
Darüber hinaus können die Elektroautos perspektivisch als Strompuffer im Netz dienen, was einen wichtigen Baustein bei der Energiewende darstellen könnte. Auch ausgediente Autobatterien lassen sich dafür nutzen, bevor deren Bestandteile recycelt werden. Das alles sind Vorteile, die schon heute für batteriebetriebene Elektroautos sprechen. Von der Tatsache, dass die Autos im Gegensatz zu Verbrennern nicht die Luft in den Städten verpesten, einmal ganz abgesehen.
Zweifellos können Elektroautos nicht alleine "die Umwelt retten". Erst recht können sie nicht die weltweiten Verkehrsprobleme lösen, solange der motorisierte Individualverkehr nicht insgesamt eingeschränkt oder besser gesteuert wird. Dennoch bleiben Argumente, um einen Verbrenner durch ein Elektroauto zu ersetzen. Die vorgebrachte Kritik überzeugt nicht in dem Maße, um diese Form der Elektromobilität als Irrweg oder Sackgasse zu bezeichnen.
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Quelle: [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]
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Die folgenden 2 Mitglieder haben sich bei kendiman bedankt:
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15.07.19, 18:55
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#2
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Chuck Norris sein Vater
Registriert seit: Apr 2009
Beiträge: 5.093
Bedankt: 12.621
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Moin,
ich sehe da oft einen Widerspruch in der Argumentation.
Beklagt man die recht geringe Reichweite wird man auf Autos mit recht großen Akkus und entsprechend große Reichweite hingewiesen.
Wer auf die ewigen Ladezeiten der grossen Akkus hinweist, bekommt Schnellader als Lösung genannt.
Wer auf den starken Strombedarf der Schnellader hinweist, dem wird erklärt das ja nur die wenigsten Autos so große Batterien haben.
Überspitzt gesagt könnte man ja meinen, man braucht mehrere Elektroautos.
Und da gibt es noch etwas was ich schon oft gehört aber noch nie verstanden habe. Autos sollen "perspektivisch als Strompuffer im Netz dienen". Also ich klemme mein Elektroauto an die Steckdose zu Hause. Und irgendwann entscheidet dann der Steuerungscomputer das nun Strom gebraucht wird und nutzt den Saft aus meinem Auto. Ich stelle mir vor, das ich morgens etwas komisch gucken würde wenn ich nach 9 Stunden laden 30 % Kapazität habe. Wenigstens lief beim Nachbarn die Kaffeemaschine.
Warum ich eher zu Wasserstoff tendiere habe ich [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]erklärt.
Zum "entweder oder" habe ich [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]was geschrieben.
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Wenn Kik den Preis pro Shirt um einen Euro erhöht um seinen Mitarbeitern ein besseres Gehalt zu zahlen, dann finden wir das alle gut.
Und dann gehen wir zu Takko einkaufen ...
Geändert von Melvin van Horne (15.07.19 um 21:35 Uhr)
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Die folgenden 3 Mitglieder haben sich bei Melvin van Horne bedankt:
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15.07.19, 20:54
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#3
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Forenbetrieb eingestellt
Registriert seit: Jun 2016
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Beiträge: 1.305
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Das mit dem Stromspeicher funktioniert nur sinnvoll wenn man Carsharing überall macht.
Dann wären es sowieso weniger Autos, die dann immer ausreichend geladen sein könnten. Wird sich aber nicht durchsetzen, denn man kann dann seinen Krempel nicht mehr dort liegen lassen.
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Foren-Aktivität seitens mir wurde aufgrund der hier verbotenen Kritik an Greta endgültig eingestellt. Verbleibt in eurer Filterblase.
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16.07.19, 06:12
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#4
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Master of Desaster
Registriert seit: Dec 2014
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Aber Car sharing nutzt niemandem etwas der auch verbindlich Ausruestung im Wagen hat. Das sind nur von A nach B Konzepte individueller Art.
Das hat auch nichts mit den ganzen Kohorten an Vertretern und Serviceleuten zu tun, die zig Kilometer jaehrlich runter reissen von A nach B.
Wohin die Akkutechnik sich entwickeln wird, ist derzeit auch nicht absehbar, da die Entwicklung aufgenommen wurde.
Wenn man mal ueberlegt, wieviele Fahrzeugarten Akkutechnik schon lange Jahre nutzen und dort anscheinend auch nur eine marginale Vorwaertsentwicklung stattgefunden hat. Siehe E-Stapler, Flurfoerderfahrzeuge, im Flughafenbereich Kofferkulis , etc..
Ist ja nicht so, als gaeb es das erst seit gestern.
Quick-change Systeme wird es icht geben , mangels Kompatibilitaeten, siehe Akkuwechsel stationaer, wie beim Reifenwechsel in der Formel 1
Geändert von Caplan (16.07.19 um 09:12 Uhr)
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16.07.19, 10:51
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#5
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Banned
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Bedankt: 597
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CO2 ist kein Problem, also basiert das alles auf einer Lüge. Ich warte auf E-LKWs, E-Jets, E-Tanker, E-AIDA, E-Flugzeugträger, E-Heli, E-Raketenwerfer und ehm E-Panzer usw. Wird alles kommen, auch wenn sie dann nur kurz einsetzbar sind, sonst brauch man noch Unterstützungsenergie-E-Tanker, Unterstützungsenergie-E-Schiffe, Unterstützungsenergie-E-Jets, Unterstützungsenergie-E-Panzer usw. Schafft am Ende womöglich Arbeitsplätze?
Geändert von Walker2017 (16.07.19 um 12:54 Uhr)
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08.08.19, 06:49
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#6
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Master of Desaster
Registriert seit: Dec 2014
Beiträge: 4.265
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Wen es noch interessiert, ist aber auch eher auf Energiewenden bezogenes Thema
hier gibt es eine wissenschaftliche Auswertung mit Rueckblick und Vorausschau, incl. Verwertung, was Energietraegervielfalt und moeglichen Energienwandel angeht, nach derzeitigen Einschaetzungen. Ein recht junges Werk.
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09.08.19, 08:12
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#7
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Echter Freak
Registriert seit: Apr 2009
Beiträge: 2.357
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Jede aktuelle Studie sieht das E-Auto vor dem Verbrenner.
Das ein E-Auto keine Umweltprobleme löst, ist auch jedem klar.
Wasserstoff ist auch eine Technologie die besser sein wird, als der Verbrenner aber een noch nicht so ausgereift ist.
Fazit, alles ist besser als Erdöl zu verbrauchen
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