[elise]

... habe ich nun hautnah miterleben dürfen und bin ein bisschen geschockt. Man liest oder hört immer mal wieder und denkt, das sind alles Einzelfälle.

Das fängt damit an, dass mein Bruder trotz einer schnellen und heftigen Gewichtsabnahme (unerklärlich) von über 10 Kilo, von Beschwerden beim bzw. nach dem Essen vom Arzt keine Magenspiegelung empfohlen bekam und auch nicht zu einem Spezialisten überwiesen wurde - es wurden Tipps gegeben wie: essen Sie mal nicht nach 8 Uhr abends und beobachten Sie das ein paar Wochen. Er hat die Magenspiegelung dann selbst in die Wege geleitet (soll man ja bei diesem Hausarztprogramm nicht).

Im Krankenhaus waren dann immer Anverwandte um ihn herum, die ihn quasi mitversorgt haben und die sich gekümmert haben... einfach weil die Schwestern nicht rumkommen. Teilweise sprechen sie zu wenig Deutsch und für einen sehr schwachen Patienten ist es kaum möglich, alles dutzendmal zu erklären, bis es verstanden wurde. Leider versteht ein Teil des Pflegepersonals auch die Ärzte nicht - deshalb lag er einen halben Tag ohne Schmerzmittel ... es wäre keines bereitgelegt und das habe schon seine Richtigkeit. Für die pflegenden Angehörigen war es nicht möglich, im KH etwas zu essen zu bekommen... der Kiosk hatte aus Personalmangel nur zeitweise geöffnet, in der Küche konnte man auch gegen Bezahlung nichts bestellen.

Beim Arzt diskutiere ich mit dem weißen Kittel zwecks angemessener Medikation für eine gebeutelte betagte Frau, die innerhalb kurzer Zeit Mann und Sohn verloren hat... (übrigens der Arzt, der bei meinem Bruder nicht richtig hingeschaut hat). Ein Arztwechsel ist kaum möglich, weil überall Aufnahmestopp ist und es auf dem platten Land nicht so viele Ärzte gibt...

Das jetzt nur ein kurzer Abriss, den ich mal loswerden musste.

Jetzt gelten wir als reiches Land mit guter Versorgung. Wie ist das denn woanders?
Wo soll das enden?
Schnallt denn keiner der oberen Zehntausend, dass es an der Zeit ist, das Pflegepersonal angemessen zu bezahlen und den Job wieder etwas aufzuwerten? Dass vielleicht die Privatisierung von Krankenhäusern nicht so der große Wurf war? Dass wir vielleicht woanders sparen sollten und nicht unbedingt im Gesundheits- und Pflegewesen?

mannmannmann... genug aufgeregt!

[Draalz]

Zitat von elise

Wie ist das denn woanders?

Mein Schwager ist ein guter Augenarzt. Er konnte hierzulande seine Praxis aus finanziellen Gründen nicht mehr halten. Er bekam ca. 25 Euro, pro Kassenpatient und pro Quartal, unabhängig vieler Standard Untersuchungen.
Er wanderte mit meiner Schwester in die Schweiz aus und gründete dort eine Augenarztpraxis mit einem Kredit von 500.000 Schweizer Franken.
Diese Praxis schrieb nach 5 Jahren schwarze Zahlen.

Zitat von elise

Dass vielleicht die Privatisierung von Krankenhäusern nicht so der große Wurf war?

Ich denke, eine Zivilisation sollte anders aussehen. Das Gesundheitswesen zu privatisieren und in wirtschaftliche Notwendigkeiten zu drängen, spricht nicht für unsere Zivilisation.
Die Auswirkungen sind, für mein Empfinden, drastisch.

Als ich vor einiger Zeit mal in eine Ambulanz musste, weil ich eine Platzwunde am Schädel hatte, bei der das Blut gute 20 cm rausspritze, hat mich ein russischstämmiger Arzt genäht. Gute handwerkliche Arbeit, aber ohne örtliche Betäubung. Kost ja Geld.

Diese Entwicklung entstand, so wie ich es sehe, schon in den 70'er Jahren, als sich Ärzte bei den Krankenkassen übervorteilten. Die Krankenkassen reagierten entsprechend und so kam die Spirale in Gang. Das sinnvoll zu unterbinden, wäre eigentlich die Aufgabe der Bundesregierung gewesen.

[AtPeterG]

Zitat von Draalz

Als ich vor einiger Zeit mal in eine Ambulanz musste, weil ich eine Platzwunde am Schädel hatte, bei der das Blut gute 20 cm rausspritze, hat mich ein russischstämmiger Arzt genäht. Gute handwerkliche Arbeit, aber ohne örtliche Betäubung. Kost ja Geld.

Kann ich 1 : 1 bestätigen. Hatte einen Venenbruch, das Blut spritzte in hohen Bogen nur so raus. Leider musste ich zu der Zeit auch noch Blutverdünner nehmen.
Der Transport ins KH (ca. 20 km) klappte auch noch ganz gut. Die Erstversorgung war nicht die schlechteste.
Aber im KH dann wurde ich erst mal 30 Min. im Rollstuhl sitzen gelassen, in der Zeit habe ich sicherlich min. 1/2 Liter Blut unnützer Weise verloren. Dann kam eine Schwester, kein Deutsch, legte mir in Seelenruhe ein Blutdruckmessgerät an, sah dann das Malheur, rollte mit den Augen, und drückte ein "Hohlle Doktoor" raus.
Jener kam dann weitere 10 Minuten später, sprach auch kaum Deutsch, nähte die Vene, ebenso ohne Betäubung mit 7 Stichen. ". In 1o Tagen Faden ziehen", dann zog er ab. Die Naht wurde exzellent durchgeführt. Hut ab.

Die Schwester schob mich in den Empfang zurück. Auf meine Frage, wie ich denn nun nach Hause komme... Keine Antwort. Zum Glück hatte ich das Telefon mitgenommen. Es dauerte noch ca. 30 Minuten bis meine Frau dann hier war um mich abzuholen. Keine Seele hat in der Zeit nach mir geschaut, der Empfang war schon beim Eintreffen nicht besetzt, gut, es war ein Sonntag, aber trotzdem eigentlich ein Unding. Ohne Schuhe, mit Verband musste ich dann noch über den (großen) Parkbereich vor der Notaufnahme und noch über den Teerweg latschen, denn meine Frau durfte von Pförtner angeordnet partout nicht weiter rein. Der riesige Smart hätte ja sonst die Notaufnahme behindert. Da passen bestimmt 5 Krankenwägen locker hin.

[Luke_Sky123]

Zu diesem Thema könnte ich Geschichten erzählen , eben durch meine Frau Arbeitet seit 42 Jahren MFA (MTA) in einer Klinik, jetzt in einer Praxis.
Wie Draalz erzählt bekommt die Praxis pro Patient pro Quartal 15€ , egal wie oft er kommt im Quartal ! Das wird ganz schnell zum draufleg Geschäft , dann muß man sich wundern warum Ärzte ins Ausland gehen .
WANN WACHEN WIR AUF??? Aber spricht man etwas in der Art an , kommt gleich die rechte Keule .
Denn das ist nicht der einzige bereich der den Bach runtergeht.
Aber egal es ging um Gesundheitswesen, Sorry!

[muavenet]

Zitat von Luke_Sky123

WANN WACHEN WIR AUF???

lol, etc. Aufwachen? Du? Aufgewacht sein, "[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]", ist ein politischer Slogan aus den Zeiten der Großen Depression, Homie. Dagegen bitchen Typen wie du doch bei jeder Gelegenheit, die se kriegen. Ironischerweise beklagten die Leute, die den Slogan benutzen, dasselbe wie ihre Nachfahren.

Zitat von Luke_Sky123

Aber spricht man etwas in der Art an , kommt gleich die rechte Keule .

Das liegt nicht am Thema an sich, sondern das konservative Wähler eben pathetische Matschbirnen der Extraklasse ohne Geschichtsbewußtsein sind, die dann post facto am lautesten rumheulen, und Unschuldigen den Misere in die Schuhe schieben, obwohl sie sich selber permanent die Stöckchen in die Fahrradspeichen gesteckt haben.

Aber hey, immer schön konservativ weiterwählen. Damit immer schön weiter privatisiert wird. Womit der Patient weiter zum reinen Kostenfaktor wird.

[elise]

mir ist dieses system extrem rätselhaft... ich wohne in einer nicht zu kleinen stadt und versuchte für meine tochter einen termin beim gastroenterologen zu bekommen - termine für atemtests oder magenspiegelung: nächstes jahr.
wir haben august?!?

wir waren nu gestern in der notaufnahme - die haben da das gemacht, was notwendig ist um wirklich schlimmes auszuschließen... aber dennoch.

hier ist doch überall drastischer handlungsbedarf!!

eine freundin arbeitet als psychiaterin - die sagt, es fehlen ärzte ohne ende, sie schieben alle ihren urlaub auf, um den betrieb am laufen zu halten (arbeitet in einer klinik).

(ich mache jetzt kein off-topic auf, aber im pflege- und erziehungsbereich siehts ja genauso aus... wohin geht denn das komplette steuergeld? was arbeiten all die menschen?)

[muavenet]

Zitat von elise

wohin geht denn das komplette steuergeld? was arbeiten all die menschen?

Haste dir schon ma die Arbeit gemacht, das herauszufinden? Ich meine... alle Wochen wieder nur dieselbe Frage stellen ist das, was mer typischerweise unter "nicht zielführendem Verhalten" abheftet.


Und zu deinem Beispiel? Ganz simpel. Unterversorgung in der Pampa. Grundregel: Umso weniger Anwohner, umso weniger Kapazitäten. Ausser du lebst in einer Community für Reiche.

So. Kein Notfall (e. g. mögliche Laktoseintoleranz)? Termin abwarten, in der Zwischenzeit Ernährung entsprechend umstellen or whatevs. Dringenderes? Ärztlicher Bereitschafts- bzw. Notdienst. Nachteil: Oft sehr eingeschränktes Leistungsspektrum, oft genug reine Zeitverschwendung. Notfall (akut)? Notaufnahme.

Im Zweifel? Notaufnahme. Das eventuelle Rumgenöle der Medicos, warum du oder wer auch immer noch laufen kann, nicht am verbluten ist, etc. ignorierste halt einfach.