Wer kein Geld hat, tauscht. Dieser Grundsatz hat in den USA angesichts der Rezession nun auch schon die Gesundheitsversorgung erreicht.
„Brauche Zahnarzt, biete Kochen", heißt es da in der Anzeige einer Frau aus dem Bundesstaat New Mexico. Sie hofft, mit einem exquisit zubereiteten Abendessen ihre dringend benötigte Kariesbehandlung zu bekommen.
Ein Mann aus Kalifornien muss seine Augen untersuchen lassen - und bietet dafür „Reparaturarbeiten aller Art". Ein Physiotherapeut in Maryland offeriert „Massagen gegen Violinenunterricht".
Angebote wie diese haben in den USA mit seinem maroden Gesundheitssystems derzeit Hochkonjunktur. Denn viele US-Bürger haben keine oder keine ausreichende Krankenversicherung.
Auf Webseiten wie „favorpals.de", über Tauschbörsen und diverse Agenturen suchen Patienten Wege, um die Arztrechnung begleichen zu können - und kommen mit Medizinern auch ohne Geld ins Geschäft. Die Angebote reichen dabei von Gemüse, über Brennholz bis hin zum Spanisch-Unterricht.
„More than Money" (Mehr als Geld) heißt auch die Initiative eines Gesundheitszentrums in der Stadt Goshen in Indiana. Sie vermittelt bedürftigen Patienten kleine Jobs, damit diese sich medizinisch behandeln lassen können.
„Allein in unserer Stadt hat sich durch steigende Arbeitslosigkeit die Zahl derer, die ihre Arzt-Rechnungen nicht begleichen können, innerhalb eines Jahres verdoppelt", erklärt Zentrumsgründer James Gingerich. „Wir geben den Leuten die Möglichkeit, ohne Schamgefühl zum Arzt zu gehen. Sie nehmen durch unsere Bezahlung keine Wohltätigkeit an."
400 registrierte Tauschbörsen gibt es in den USA. Eine der professionellsten ist die Firma ITEX mit Hauptsitz in Bellevue im Bundesstaat Washington. 24.000 Firmen handeln bargeldlos über diese Drehscheibe.
„Im vergangenen Jahr ist die Zahl unserer Anbieter von medizinischen Leistungen um knapp die Hälfte gestiegen", erklärte ITEX-Geschäftsführer Steve White im TV-Sender Fox-News.
„Dieser Handel beläuft sich monatlich auf einen Gegenwert von rund einer Million Dollar." Wer sich auf einen Tauschhandel einlässt, ist verpflichtet, das auch den Steuerbehörden zu melden. Am gefragtesten seien Zahn- und Augenärzte sowie Chiropraktiker.
Über jeden Deal wird Buch geführt - zumindest in ausgewiesenen Einrichtungen wie der „Tauschklinik" am Fuß der Blue Ridge Mountains in Floyd in Virginia. Zehn Prozent ihrer Patienten zahlten „auf alternative Weise", erklärt dort eine Ärztin.
Wenn Brennholz, Kohlköpfe oder Babysitting angeboten werden, berechne das Büro den entsprechenden Geldwert. Andere Kliniken haben für solche Fälle ein spezielles Bonuspunkte-Programm eingerichtet.
Ein Prinzip, das andernorts nicht neu ist. Es sei ein alter Hut, sagt etwa der Mitbegründer des US-Verbands der ländlichen Kliniken, Ron Nelson. In den 30 Jahren, in denen der Mediziner auf dem Lande gearbeitet hat, sei bargeldloser Service am Patienten für ihn mitunter selbstverständlich gewesen.
„Ich habe alles Mögliche bekommen, weil die Leute kein Geld hatten - von Hühnern bis zu Grünzeug", sagte er im Fernsehen.
Zustände, die Präsident Barack Obama mit der Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung ändern will. In Amerika, dem wohl einzigen Industrieland, in dem es bislang keine universelle Krankenversicherung gibt, zahlen rund 47 Millionen Menschen ihren Arzt aus eigener Tasche - wenn sie es denn können.
Andere sind unterversichert oder haben den Versicherungsschutz nur durch den Arbeitgeber. In dem Moment, in dem sie ihren Job verlieren, stehen sie und ihre Familien automatisch ohne Krankenversicherung da.
dpa
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