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Ungelesen 11.01.14, 12:39   #26
Freebirdo
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Nachdem ich mir die Beiträge hier durchgelesen habe und mal in Selbstreflexion mein eigenes Leben als "Politiker" durchdacht habe, wollte ich Euch mal an meinen Gedanken teilhaben lassen:

Ich bin vor jetzt nun drei Jahren in die SPD eingetreten, um mich in meiner Freizeit für meine Überzeugungen zu engagieren und auf kommunaler Ebene die Politik mitzugestalten. Mir ging und geht es dabei nicht um ein Mandat im Stadtrat oder im Kreistag, sondern eher darum, nicht einen auf politikverdrossen zu machen und vielleicht dabei ein klein wenig meine Stadt zu verbessern.

Ich habe mich anfangs auch nicht für so blauäugig gehalten, dass alle, die politisch aktiv sind, ähnliche Ziele verfolgen wie ich selbst. Nur habe ich dennoch gehofft, dass man zumindest auf kommunaler Ebene noch mit anderen zu tun hat, die vielleicht die kleineren Probleme, die in den Kommunen anfallen, lösen wollen.

Leute, habe ich mich geirrt ...

Ich kann zwar durchaus nachvollziehen, dass man aus guten Gründen (Gestaltungsmöglichkeit, gesellschaftliche Verantwortung) ein politisches Mandat anstrebt, aber dass 75 % der Leute dies aus finanziellen Gründen tun, hätte ich nicht erwartet. Es ist einfach unglaublich, wie unwichtig Themen und Inhalte für viele Politiker sind und wie wichtig dagegen der eigene Vorteil (besonders finanzieller Art) den werten Kollegen ist.

Seit mittlerweile drei Jahren also opfere ich meine Freizeit und auch einen nicht zu unterschätzenden Betrag an Geld, um beispielsweise in der Schulpolitik dafür zu kämpfen, dass eine Gesamtschule hier errichtet wird, damit jeder Schüler die Möglichkeit Abitur zu machen. Langsam denke ich aber, dass manche sich teilweise über mich wundern oder lustig machen, weil ich bis jetzt keine Ambitionen oder Ansprüche auf ein Mandat angemeldet habe, das mir Geld bringt.

Im Grunde genommen geht es den meisten schon auf kommunaler Ebene um ihre Pöstchen, die ihnen einen Macht- oder Finanzvorteil schaffen. In dem Maße habe ich mir das eigentlich nicht vorstellen können, sodass man am Ende doch sagen kann, dass ich gewissermaßen ein Stück weit blauäugig war.

Oft stellt man sich die Frage, wieso es fast nur noch Funktionäre in der Partei gibt und keine Menschen, die Politik betreiben, um möglicherweise auch anderen einen Vorteil zu bieten. Die Antwort ist eigentlich simpel und dabei derart erschütternd, dass man an unserem demokratischen System verzweifeln könnte:

Die Frustrationstoleranz eines Menschen, der lediglich auf das Geld schielt, ist einfach größer als die Frustrationstoleranz eines Menschen, der seine Ideale in seiner Freizeit verteidigen möchte.

Wenn man meinen Beitrag nun bis jetzt gelesen hat, fühlt man sich doch schon sehr bestätigt, soweit man die Frage "Politiker = Heuchler?" bejaht hat.

Glücklicherweise gibt es aber auch andere Menschen wie mich, die Politik aus den Motiven betreiben, die eigentlich der Grund für unser demokratisches System sind: Versuchen, etwas zu verbessern.

Mag diese Art von Politikern auch nicht zur Mehrheitsfraktion gehören, so gibt das dann doch Hoffnung, dass doch nicht alles so zum Verzweifeln ist, wie es manchmal suggeriert wird. Jedenfalls bestärkt mich die Zusammenarbeit mit diesen Menschen dazu, mich weiterhin zu engagieren und nebenbei unseren Postensammlern son bisschen in den Arsch zu treten. Man nennt mich schon teilweise "den Querschießer", was mich gewundert hat, weil ich einfach nur mal eine andere Meinung vertreten habe.

Zum Schluss möchte ich nur noch hinzufügen, dass ich mich hier nicht als "Guter" produzieren möchte. Ich habe auch meine Schwächen wie jeder Mensch sie hat. Politik zu betreiben ist auch eine Art der Selbstdarstellung und das möchte ich auch nicht bestreiten. Nur möchte ich denen sagen, die pauschal alle Politiker für Heuchler halten, dass es auch andere gibt.
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