myGully.com Boerse.SH - BOERSE.AM - BOERSE.IO - BOERSE.IM Boerse.BZ .TO Nachfolger
Zurück   myGully.com > Talk > Politik, Umwelt & Gesellschaft
Seite neu laden

Eltern, Ärzte, Kirche. Wer darf über Leben und Tod entscheiden?

Willkommen

myGully

Links

Forum

 
Antwort
Themen-Optionen Ansicht
Ungelesen 25.05.25, 07:03   #1
ziesell
das Muster ist das Muster
 
Registriert seit: Apr 2011
Ort: Schwarzwald
Beiträge: 2.803
Bedankt: 3.076
ziesell leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 203820354 Respekt Punkteziesell leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 203820354 Respekt Punkteziesell leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 203820354 Respekt Punkteziesell leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 203820354 Respekt Punkteziesell leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 203820354 Respekt Punkteziesell leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 203820354 Respekt Punkteziesell leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 203820354 Respekt Punkteziesell leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 203820354 Respekt Punkteziesell leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 203820354 Respekt Punkteziesell leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 203820354 Respekt Punkteziesell leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 203820354 Respekt Punkte
Standard Eltern, Ärzte, Kirche. Wer darf über Leben und Tod entscheiden?

Zitat:
Eltern, Ärzte, Kirche. Wer darf über Leben und Tod entscheiden?

Joachim Volz, Chefarzt einer Klinik, darf keine Abtreibungen mehr vornehmen, auch nicht bei schweren Fehlbildungen des Kindes – weil es der kirchliche Träger verbietet. Dagegen zieht der Gynäkologe nun vor Gericht. Wenn nötig bis vor das höchste.



Joachim Volz hat viel erlebt als Arzt. Drei Jahre war er in einer Klinik in Oshikuku in Namibia, im militärischen Sperrgebiet zu Angola. Er half beim Aufbau zweier Krankenhäuser in Kaschmir. In mehr als 30 Jahren als Gynäkologe begleitete er Babys bei ihren ersten Atemzügen und Todkranke bei ihren letzten. „Die volle Bandbreite“, wie er sagt. Dass ihn beruflich, jetzt kurz vor dem Ende seines Arbeitslebens, noch etwas dermaßen mitnehmen würde, das hätte der 67-Jährige nicht gedacht.

Alles begann, als bekannt wurde, dass sich in Lippstadt das katholische und das evangelische Krankenhaus zusammentun würden. Fusionen wie diese sind nicht selten, mehrmals im Jahr schließen sich in Deutschland Kliniken zusammen – weil es sich wirtschaftlich anders nicht mehr lohnt. Meist geht das geräuschlos über die Bühne. In Lippstadt in Nordrhein-Westfalen aber ist das anders.

Es geht auch um die Frage: Wer darf über Leben und Tod entscheiden?

Dort zieht Joachim Volz, der Chefarzt der Gynäkologie des Krankenhauses, nun gegen den Klinikbetreiber vor Gericht. Aber nicht etwa, weil seine Abteilung umziehen oder Kollegen entlassen werden. Dem Gynäkologen geht es um viel mehr: um seine ärztliche Unabhängigkeit. Und eine der größten aller Fragen: Wer darf über Leben und Tod entscheiden?

Anfang dieses Jahres nämlich bekam Joachim Volz plötzlich eine Dienstanweisung in die Hand gedrückt: Von Februar an dürfe er keine Schwangerschaftsabbrüche mehr vornehmen. Nicht bei schweren Missbildungen. Nicht bei Vergewaltigungen. Die einzige Ausnahme: Die Mutter ist in akuter Lebensgefahr. Das Verbot gelte auch für seine gynäkologische Praxis in Bielefeld, die Volz nebenbei betreibt. Sollte er dagegen verstoßen, werde ihm gekündigt. Wie ein Schlag in die Magengrube, so habe sich das angefühlt, sagt Volz.

Über 13 Jahre lang hatte Volz im Evangelischen Krankenhaus Lippstadt unzählige Schwangere und Paare begleitet – bei der Geburt gesunder Kinder, aber auch bei schweren Schicksalsschlägen: bei Fehlbildungen und Gendefekten. Er war für die Eltern da, oft von der ersten Diagnose bis zum Schluss. Der Schluss, das bedeutete in diesen Fällen meist das Ende der Schwangerschaft, die Abtreibung des Kindes.

Für die katholische Kirche ist Abtreibung eine Sünde

Unter dem evangelischen Träger gab es dafür klare Abmachungen. Bestanden medizinische Gründe, so durften Volz und sein Team Abbrüche vornehmen. Anfangs stimmten die Ärzte die Fälle noch mit einer Ethikkommission ab, später arbeiteten sie dann nach Richtlinien. Der Chefarzt hatte weitestgehend freie Hand. Bis die Fusion beschlossen wurde, bis der katholische Träger plötzlich das Sagen hatte beim Thema Schwangerschaftsabbrüche. Bis Volz ein Teil seiner ärztlichen Arbeit untersagt wurde.

Denn aus Sicht der katholischen Kirche ist Abtreibung eine schwere Sünde. In katholischen Krankenhäusern ist sie deshalb weitestgehend verboten. Dem musste sich die Klinikleitung fügen. Zwar lobt sie Volz’ Verdienste, „sein großer Einsatz für seine Patientinnen und Patienten“ verdiene „höchste Anerkennung“. Das „erfolgreiche Arbeitsverhältnis“ wolle man fortführen, heißt es auf Nachfrage. Aber nur unter den neuen Rahmenbedingungen, den ethischen Kriterien der katholischen Kirche.

Und so standen sie in Lippstadt plötzlich allein da, Frauen, die in ihren Bäuchen Föten trugen mit offenen Schädeldecken, mit schweren Gendefekten, Babys, die nur mit massiven Beeinträchtigungen leben oder gleich nach der Geburt sterben würden. Frauen wie Barbara Mock (Name von Redaktion geändert).

Es war am Karnevalswochenende, während andere bunte Kostüme anzogen und anstießen, als Familie Mock erfuhr, dass sie ihr Baby verlieren würde. Anenzephalie lautete die Diagnose, eine schwere Fehlbildung, bei der dem Fötus ein großer Teil des Schädels und Hirns fehlt. Völlig unerwartet habe sie das getroffen, erzählt Timo Mock. Alle Untersuchungen waren unauffällig gewesen, bis zum großen Ultraschall in der 14. Schwangerschaftswoche. Ihre Frauenärztin schickte sie weiter zu Volz in die Klinik. Er bestätigte, was diese schon geahnt hatte: Das Kind würde niemals leben.

„Es tut mir leid. Mir sind die Hände gebunden“, sagt Volz dem jungen Paar

Die Diagnose war eindeutig. So eindeutig, dass das Paar sich gleich einig war: Sie wollten die Schwangerschaft beenden, am besten so schnell wie möglich. Volz aber sagte: „Es tut mir leid. Mir sind die Hände gebunden.“ Hilflos hätten sie sich gefühlt, sagt Timo Mock. An wen sollten sie sich jetzt wenden? Also rief Volz im 50 Kilometer entfernten Klinikum von Bielefeld an und regelte alles. Neun Tage nach der Diagnose brachten sie dort ihr totes Kind zur Welt. „Wenn die Kirche nicht gewesen wäre, dann wäre uns einiges an Zeit und Leid erspart geblieben“, sagt Barbara Mock. „Das war einfach eine unnötige Quälerei körperlich, aber auch seelisch.“

Auch Mocks Fall hatte Volz der Geschäftsführung vorgelegt. Er hatte um einen Kompromiss gebeten, um eine Ausnahmeregelung für besonders schwere Fälle. Aber die Klinikleitung blieb hart. Schließlich steht für sie viel auf dem Spiel. Hätten sie dem Verbot von Abtreibungen nicht zugestimmt, so heißt es vonseiten der Klinik, wäre die Fusion gescheitert.

Ohnehin hätte das Evangelische Krankenhaus vorher lediglich etwa 15 Schwangerschaftsabbrüche im Jahr vorgenommen, argumentiert die Klinik. Eine Petitesse also? „Die Anzahl ist gar nicht so wichtig“, sagt Volz. „Jeder dieser Fälle ist hochkomplex.“ Dafür brauche es Erfahrung und ein professionelles Team. „Diese Familien müssen schon genug leiden, wenn sie ein gewünschtes Kind verlieren. Dann zu sagen: ‚Geht woanders hin, was ihr macht, ist nicht ganz in Ordnung.‘ Das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.“

Was ist Nächstenliebe? Paaren in einer Notlage zu helfen? Oder der Schutz des ungeborenen Kindes?

Schwangerschaftsabbrüche sind nie nur medizinische Eingriffe. Immer geht es dabei auch um Emotionen, um Weltanschauungen, oft auch um Politik und Macht. Das zeigte sich erst jüngst, als die politische Debatte um den Paragrafen 218 – den sogenannten Abtreibungsparagrafen – neu entbrannte. Nach dem Ampel-Aus schlossen sich Hunderte Abgeordnete verschiedener Fraktionen zusammen, um Abtreibungen zu legalisieren – denn offiziell stehen sie in Deutschland immer noch unter Strafe. Kurz sah es danach aus, als könnte der Paragraf aus dem Strafgesetzbuch verschwinden. Am Ende aber scheiterte die Gruppe im Rechtsausschuss am Widerstand von FDP und Union. Die Diskussion darüber, ob Abtreibungen strafbar sind oder nicht, wird also weitergehen.

Bei den Kliniken in Lippstadt geht es aber noch um andere Fragen: Was bedeutet Nächstenliebe? Familien in einer Notsituation zu helfen? Oder der absolute Schutz des ungeborenen Kindes?

Ein Seelsorger aus der Region hat dazu eine klare Meinung: Die Kirche sei der „Anwalt des ungeborenen Lebens“. Dessen Schutz stehe über dem Selbstbestimmungsrecht der Frau, sagt er. Aber er und auch andere Stellvertreter der Kirchen geben zu, dass die Position der Kirche in Lippstadt relativ hart sei. Das sieht auch Joachim Volz so: „Ich glaube, sogar innerhalb der katholischen Kirche ist diese Auslegung sehr radikal.“

Einige Kilometer weiter, in Paderborn, werden die kirchlichen Regeln weniger streng gehandhabt

Tatsächlich muss man nur einige Kilometer weiterschauen, um zu sehen, dass die kirchlichen Regeln andernorts weniger streng gehandhabt werden: im St.-Vincenz-Krankenhaus in Paderborn zum Beispiel. Auch hier führe man Schwangerschaftsabbrüche nur in einzelnen Fällen durch, teilt das Klinikum mit, aber gegebenenfalls eben auch bei Fehlbildungen, „die zweifelsfrei nicht mit dem Leben vereinbar“ sind. Wie andere katholische Kliniken damit umgehen, ist schwer zu sagen. Viele halten sich bedeckt bei dem Thema Abtreibungen, antworten nicht auf Anfragen oder schicken lediglich Textbausteine.

Klar ist jedoch, dass der medizinische Fortschritt auch neue ethische Fragen mit sich bringt. Die Pränataldiagnostik ermöglicht heute werdenden Eltern, schon weit vor der Geburt zu erfahren, ob sich ihr Kind gut entwickelt. Ob das Herz richtig schlägt, die Lunge reift. „Wir wissen ganz genau, was aus dem Fötus wird. Wir wissen das fast immer zu 100 Prozent“, sagt Volz.

Doch was nützt dieses Wissen, wenn Frauen in katholischen Kliniken ihr Recht auf einen Abbruch aberkannt wird? Welchen Sinn hat Pränatalmedizin dann noch? Und darf die Kirche Eingriffe verbieten, die medizinisch begründet sind? Widerspricht das nicht ihrem Versorgungsauftrag? Noch dazu, wo Krankenhäuser – auch die katholischen – zum größten Teil durch öffentliche Gelder finanziert werden?

Genau diese Fragen will Joachim Volz vor Gericht klären lassen. Zunächst vor dem Arbeitsgericht in Hamm. „Ich will einfach wissen, ob diese Sonderrechte der Kirche noch zeitgemäß sind“, sagt der Chefarzt, „gerade im medizinischen Bereich, gerade wenn es um Frauenrechte geht.“ Zur Not wolle er bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, sagt er. „Ich bin nicht der Typ, der so etwas mit sich machen lässt.“

[ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ]

mal wieder so ne "Mir fehlen die Worte" angelegenheit der Katholischen Kirche.

Geändert von ziesell (25.05.25 um 07:09 Uhr)
ziesell ist offline   Mit Zitat antworten
Die folgenden 2 Mitglieder haben sich bei ziesell bedankt:
Draalz (25.05.25), gleitschirm (25.05.25)
Ungelesen 25.05.25, 07:25   #2
beloborodov
Mitglied
 
Registriert seit: Mar 2020
Beiträge: 361
Bedankt: 406
beloborodov leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 124781437 Respekt Punktebeloborodov leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 124781437 Respekt Punktebeloborodov leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 124781437 Respekt Punktebeloborodov leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 124781437 Respekt Punktebeloborodov leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 124781437 Respekt Punktebeloborodov leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 124781437 Respekt Punktebeloborodov leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 124781437 Respekt Punktebeloborodov leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 124781437 Respekt Punktebeloborodov leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 124781437 Respekt Punktebeloborodov leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 124781437 Respekt Punktebeloborodov leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 124781437 Respekt Punkte
Standard

Mein Vorschlag: Der Arzt sollte sich aus Gewissensgründen von seinem Arbeitgeber trennen. Er muss doch nicht für die Kirche arbeiten.

Die kirchliche Führung staatlich finanzierter Kliniken gehört allerdings dringendst auf den Prüfstand.
__________________
Demokratie lebt von der Vielfalt - Diktatur vom Mitmachen.

Geändert von beloborodov (25.05.25 um 07:32 Uhr)
beloborodov ist offline   Mit Zitat antworten
Die folgenden 2 Mitglieder haben sich bei beloborodov bedankt:
gleitschirm (25.05.25), zedgonnet (25.05.25)
Ungelesen 25.05.25, 19:36   #3
elise
viel-leserin
 
Benutzerbild von elise
 
Registriert seit: Sep 2008
Beiträge: 1.872
Bedankt: 4.934
elise leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punkteelise leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punkteelise leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punkteelise leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punkteelise leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punkteelise leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punkteelise leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punkteelise leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punkteelise leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punkteelise leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punkteelise leckt gerne myGully Deckel in der Kanalisation! | 2147483647 Respekt Punkte
Standard

die kirche könnte sich doch einfach mal raushalten. und wenn sie keine menschlichen entscheidungen dulden kann - dann sollte sie vielleicht keine krankenhäuser betreiben. ich bin eh der meinung, die sollten in staatlicher hand sein/bleiben.

das sind doch eigentlich immer einzelfallentscheidungen - die betroffenen menschen sollten selbst gefragt werden... und auch gehört.
so etwas ist schwierig genug, da sollten nicht noch felsbrocken im weg liegen.
__________________
„Nur weil du dein Talent noch nicht gefunden hast, heißt das nicht, dass du keins hast.“
Kermit
elise ist offline   Mit Zitat antworten
Die folgenden 2 Mitglieder haben sich bei elise bedankt:
gleitschirm (26.05.25), ziesell (26.05.25)
Antwort


Forumregeln
Du kannst keine neue Themen eröffnen
Du kannst keine Antworten verfassen
Du kannst keine Anhänge posten
Du kannst nicht deine Beiträge editieren

BB code is An
Smileys sind An.
[IMG] Code ist An.
HTML-Code ist Aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 13:53 Uhr.


Sitemap

().