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Was die Politik von Open-Source-Communitys lernen kann
Zitat:
Weltpolitk
Was die Politik von Open-Source-Communitys lernen kann
Transparenz statt Hinterzimmer, Willkommenskultur statt Abschottung – und vor allem Enthusiasmus: Open Source hat im Überfluss, was Politik oft fehlt.
Ein IMHO von Thorsten Müller
27. April 2025, 9:00 Uhr

Die Schaukel nicht zu nah an die Hauswand stellen!
Auf den ersten Blick wirken Weltpolitik und Open-Source-Communitys wie zwei völlig verschiedene Sphären. Doch sie haben einiges gemeinsam – bei beiden trifft man Menschen, deren Schaukel früher offensichtlich zu dicht an der Hauswand stand.
Ein genauerer Blick auf Open-Source-Communities offenbart Prinzipien, die auch der politischen Zusammenarbeit guttun würden: Transparenz, freiwilliges Engagement, flache Einstiegshürden, ein respektvoller Austausch – und der gemeinsame Wille, Lösungen zu finden, statt Probleme gegeneinander auszuspielen.
Dieser Artikel lädt zu einem Perspektivwechsel ein. Er beleuchtet, wie Open Source funktioniert, welche Werte diese Communitys tragen – und warum gerade jetzt, in Zeiten globaler Spannungen, Abschottung und Misstrauen, ein Blick auf diese Kultur der Zusammenarbeit mehr als lohnenswert ist. Ohne politisches Fachchinesisch – der Autor ist weniger Politikexperte als Open-Source-Enthusiast –, dafür mit einer Prise Optimismus (#TeamHoffnung).
Transparenz statt Hinterzimmer
Während in der Politik oft Intransparenz oder Hinterzimmerpolitik dominiert, lebt Open Source von offener Diskussion, nachvollziehbaren Entscheidungen und transparentem Code. Anwendungen dürfen je nach Lizenz oft privat und/oder kommerziell kostenfrei eingesetzt werden. Außerdem steht der Quellcode auf Plattformen wie Github oder Opencode öffentlich einsehbar zur Verfügung und gewährleistet so eine hohe Transparenz.
Zugegeben: Politische Diskussionen und Entscheidungen haben sicherlich oft eine größere Tragweite und vielfältigere Auswirkungen als Vorgänge in der Open-Source-Community und können somit wohl nicht gänzlich auf offener Bühne stattfinden. Doch etwas mehr Transparenz würde auch der Politik guttun. Immerhin: Die gesetzlichen Änderungen am Ende eines politischen Diskurses sind in aller Regel auch für die Öffentlichkeit einsehbar.
Make Enthusiasmus great again
Eine weitere zentrale Eigenschaft der Open-Source-Community ist ihre Leidenschaft für die Sache. Menschen engagieren sich in Open-Source-Projekten aus Überzeugung – nicht wegen Geld oder Macht. Und so stellen sie einiges auf die Beine.
Viele Dienste und Anwendungen, die wir heutzutage selbstverständlich nutzen, wären ohne Open Source nicht denkbar. Eine kleine Auswahl sind das Betriebssystem Linux, Webserver wie Apache oder Nginx, Verschlüsselungsanwendungen wie OpenSSL, Datenbanken wie MySQL oder PostgreSQL, Wordpress ([ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ] mit 63 Prozent der Content-Management-Systeme das beliebteste) und natürlich auch der Internetbrowser Firefox von Mozilla. Und das ist wirklich nur ein ganz kleiner Auszug. Beeindruckend, oder?
Diese fabelhaften Anwendungen wachsen nicht auf Bäumen. Sie werden von Freiwilligen in Communitys gemeinsam entwickelt und verbessert. Dahinter stehen (zumindest zu Beginn) keine Konzerne mit Patentanwälten, Markenrechtsexperten oder Vertriebs-Key-Account-Managern, sondern einfach nur Menschen, die ein Problem erkannt und für sich oder andere eine Lösung gebastelt haben. Manche nennen diese Art von Menschen Nerds oder Geeks – der Autor dieses Artikels nennt sie (und schließt sich in dieser Gruppe mit ein) Enthusiasten. Dieses intrinsische Commitment fehlt häufig im politischen Raum.
Aber warum sollte jemand mit einer guten Idee diese nicht verwenden, um Geld, Macht und Einfluss für sich persönlich sicherzustellen, sondern die Allgemeinheit davon profitieren zu lassen? Die Person hat doch Kreativität und Zeit investiert, um die ersten Schritte einer guten Idee Realität werden zu lassen. Und wir benötigen alle Geld, um unser Leben zu bestreiten, Einkäufe zu erledigen, in Urlaub zu fahren und so weiter.
Doch jenseits der üblichen Lebenshaltungskosten macht Geld nicht glücklich und nur kurzzeitig sorgenfrei. Enthusiasmus und Euphorie dagegen gehen niemals aus; sie sind kein endlicher Rohstoff (wie materielle Güter), sondern bieten unbegrenztes Potenzial. Und da Euphorie bekanntermaßen ansteckend ist (auf eine gute Weise, nicht wie die Grippewelle zu Beginn jedes Jahres) bleiben Enthusiasten mit ihren Ideen oft nicht lange alleine.
Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
Betätigungsfelder für Enthusiasten gibt es heutzutage genug. Wenn man sich die aktuellen Herausforderungen auf der weltpolitischen Bühne anschaut, dann haben wir mehr als reichlich offene Baustellen bzw. Issues, wie man aktive Fehler oder offene Feature Requests im Kontext von Open-Source-Software nennt.
Die Open-Source-Community meistert solche Herausforderungen durch Zusammenarbeit – über Grenzen und Unterschiede hinweg. Willkommen sind Beiträge aus allen Richtungen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Wissensstand. Einstiegshürden sind niedrig. Doch obwohl die großen Open-Source-Projekte, ohne die unsere heutige Welt nicht funktionieren würde, gezeigt haben, dass es nur mit internationaler Zusammenarbeit funktioniert, setzt die Politik zunehmend auf Abschottung. Ein echtes Erfolgsrezept, wie schon viele Briten bestätigen können – nicht.
Es ist doch eine wahnsinnig positive Entwicklung, dass wir mittlerweile eine globale Spezies mit globalen Herausforderungen, aber auch globalen Möglichkeiten sind. Wer in seiner persönlichen mentalen Entwicklung nicht in der Zeit von Höhlen und Säbelzahntigern stehengeblieben ist, müsste diese große Chance von globaler Zusammenarbeit eigentlich erkennen und wertschätzen!
Keine Angst vorm Säbelzahltiger!
Apropos Säbelzahntiger: Der Wunsch nach Herdenbildung und sozialem Zusammenhalt in unserer Gemeinschaft (Community) ist tief in uns verankert. Wer früher von seiner sozialen Gruppe verstoßen wurde, fiel dem Säbelzahntiger zum Opfer. Bei Ärger in Open-Source-Communitys (und der Politik) sind die Konsequenzen glücklicherweise weniger drastisch. Wir haben die Möglichkeiten, uns global auszutauschen, unsere Issues zu besprechen und gemeinsam ein tolles Ergebnis zu erzielen. Wie heißt es so schön: Das Ergebnis ist größer als die Summe seiner Einzelteile.
Die meisten Open-Source-Projekte haben ein Interesse daran, Leute zur Mitarbeit einzuladen. Sie suchen Commiter, also Menschen, die aktiv an ihrer Idee mitarbeiten mit dem Ziel, gemeinsam eine Situation etwas zu verbessern. Commiter, Commitment oder Commit, das sind alles Begriffe, die Open-Source-Anhängern und Entwicklern sehr vertraut sein sollten. Übersetzt bedeutet dies ungefähr: Engangement, Versprechen, Bindung. Also alles sehr positiv besetzte Begriffe, welche ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Idee beschreiben. Von diesem Commitment anderer Enthusiasten lebt Open Source, es ist das, was sie "great" macht.
Und in der Politik? Außer Berufspolitikern oder hochbezahlten externen Beratern hat kaum jemand ein echtes Commitment zur aktiven Mitarbeit an politischen Themen und Diskussionen. Aber wie schaffen es Open-Source-Projekte, Menschen für sich zu begeistern, obwohl es keinerlei materiellen Profit gibt und Menschen sich nur für die Sache engagieren?
Willkommenskultur und Diversität
Open-Source-Projekte versuchen, die Einstiegshürden niedrig zu halten, und pflegen (in aller Regel) eine Willkommenskultur. Jeder, der die Vision des Projektes teilt und gewillt ist, sich an die Regeln eines fairen Austauschs zu halten, ist willkommen – unabhängig davon, auf welchem Level jemand ist, ob Anfänger, professioneller Dokumentation-Reviewer oder Junior-Entwicklerin.
Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wo jemand herkommt, ob man an eine bestimmte Religion glaubt, welche Hautfarbe oder welches Geschlecht man hat oder wie alt man ist. Ganz im Gegenteil, Diversität wird hier sehr geschätzt. Denn je mehr unterschiedliche Perspektiven in die Diskussion und Überlegungen einbezogen werden, desto besser und alltagstauglicher wird das Ergebnis am Ende sicherlich für alle sein.
Und die Politik? Wer sich schon einmal mit Formulierungen in politischen und Dokumenten beschäftigt hat, der weiß, dass solche Texte und Willkommenskultur nicht in einen Satz passen. Natürlich müssen wichtige Dokumente oder gar Gesetzestexte in einer Art und Weise geschrieben werden, die auch juristisch wasserdicht ist, und können eben nicht in einfacherer Sprache formuliert sein (wobei etwa das Starke-Familien-Gesetz schon ein recht gut verständlicher Titel war). Aber wer Leute zum politischen Diskurs einladen möchte, muss raus aus der Bubble, die Einstiegshürde senken, eine Vision aufzeigen und die Meinungen derer ernst nehmen, die sich commiten, an dieser Vision mitzuarbeiten.
Mimimis gibt's überall
Apropos Neulinge willkommen: Natürlich gibt es auch in der Open-Source-Szene destruktive Nörgler, die der Autor gern Mimimis nennt. Sie kommen wie die Axt im Walde neu in die Community, beschweren sich, wie schlecht alles ist, regen sich tierisch auf und weigern sich, Dokumentationen und FAQs zu lesen. Wenn dann auf eine wilde Anfrage nicht innerhalb von fünf Minuten eine professionelle Antwort eines Experten kommt, geht der Shitstorm erst richtig los.
Dann sagen sie, dass sie das alles ja sowieso besser könnten – leider haben sie oft keine Zeit, das auch in der Praxis zu beweisen. Politisch gesprochen, geben sie eine prima Opposition ab. Aber an beiden Stellen, Politik und Open Source, müssen die motivierten Menschen mit Besserwissern und Mimimis umgehen können.
Entscheidungen müssen nachvollziehbar sein
Bei aller Offenheit in der Diskussion ist in Open-Source-Communitys und der Politik natürlich gleichermaßen wichtig, was am Ende rauskommt. Am Ende muss jemand entscheiden, was in ein Produkt oder ein Gesetz aufgenommen wird.
In der Politik sind dies sicherlich Ausschüsse und Expertengremien, in Open-Source-Projekten die Maintainer. Sie haben im Laufe der Zeit gezeigt, dass sie Auswirkungen von Änderungen in einem System gut genug beurteilen können, um zu wissen, welche Anpassung dem Ziel förderlich ist und welche (so gut gemeint wie sie auch sein kann) nicht berücksichtigt werden kann.
Das kann natürlich zu Enttäuschungen führen, was sehr menschlich ist. Aber sofern abgelehnte Änderungswünsche gut begründet sind, geht der persönliche Frust schnell vorbei und man freut sich trotzdem auf neue Versionen eines Produkts, das sicherlich viele spannende Verbesserungen beinhaltet.
Wer an Open-Source-Projekten mitwirkt, kann eine Reise erleben. Zu Beginn einer Projektmitarbeit hat man vielleicht nur kleinere Fehler in der Dokumentation gemeldet oder korrigiert, und im Laufe der Jahre hat man sich genug Wissen aufgebaut, um wirklich über Veränderungen am Code selber aktiv (mit-)entscheiden zu können.
Natürlich gibt es solche persönlichen Entwicklungen auch im politischen Umfeld. Immerhin startet man üblicherweise nicht als Mitglied im Bundestag, sondern beginnt in kleinen Ausschüssen in der eigenen Stadt oder Gemeinde und baut sich Wissen auf, um sich für höhere und weitreichendere Aufgaben zu qualifizieren. Jede Reise startet mit einem ersten Schritt – das gilt sicherlich sowohl für ein Commitment im Bereich Open Source wie in der Politik.
Niemand ist perfekt
Weder Politik noch Open-Source-Communitys sind perfekt – so ist es, wenn verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Perspektiven zusammenarbeiten. Aber einige wichtige Erkenntnisse aus der Open-Source-Welt sollte sich die Politik zu eigen machen.
Wer Leute zum politischen Diskurs einladen möchte, sollte die Vision menschlicher und verständlicher machen, die Einstiegshürde zum Mitmachen verringern, zeigen, dass jede Perspektive wertgeschätzt wird, und eine transparente Kommunikation leben (sofern im rechtlichen Rahmen möglich). Dann bekommt man auch Perspektiven außerhalb der eigenen Betriebsblindheit und so am Ende ein gutes und in der Breite akzeptiertes und verstandenes Ergebnis.
Außerdem, liebe Communitys aus beiden Bereichen: Stellt die Schaukeln weit genug von der Hauswand weg und heißt auch neue Menschen auf eurem Spielplatz willkommen.
Thorsten Müller beschäftigt sich als IT-Enthusiast mit Smart-Home-Konzepten und Themen rund um offene Sprachtechnologien (Sprachassistenten, Spracherkennung und Sprachsynthese). Sein Wissen teilt er in Open-Voice-Communitys, auf Youtube und auf seinem [ Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. Bitte einloggen oder neu registrieren ].
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Mehr Dialektik und weniger Kalkül würde Politik gut zu Gesicht stehen, auch wenn das hierzulande und derzeit nicht so einfach zu sein scheint.
Wieso bekommen das die Finnen erheblich besser hin?
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