Religion ist offensichtlich ein weit verbreitetes Grundbedürfnis von Menschen. Ich behaupte sogar fast jeder ist mehr oder weniger gläubig, da dieses Gefühl dem Leben überhaupt erst einen Sinn gibt. Und der Glaube ist immer auf etwas bezogen was man nicht versteht.
Früher haben Menschen wenig von der Welt verstanden und daher war die Macht des Mystischen im Schnitt stärker. Die Religion hat viele wissenschaftliche Disziplinen (wenn nicht sogar alle) erstmal in einer Lehre vereint. Dass das alles nicht auf Fakten beruhte, war aufgrund der bislang nicht erklärten Geheimnisse der Realität unwichtig. Durch die Entdeckungen der Wissenschaft wurde diese Dogmen dann bekanntlich über die Jahrtausende immer weiter angezweifelt.
Mittlerweile ist es so, dass alles erklärbar scheint, und sobald eine Gesellschaft ein modernes Bildungssystem eingeführt hat, Religion wird zu einer gesellschaftlichen Randerscheinung wird. Der Glaube wird dann zu einem Gefühl was den meisten eher in Hoffnung, Liebe oder Freude begegnet. Die Verbindung zum Transzendenten verkümmert, da übernatürliches unlogisch ist.
Wenn man allerdings dann durch Bildung, Erfahrungen oder ähnliches wieder an die Grenzen des Erklärbaren stößt, kann dieses mächtige Gefühl wieder geweckt werden.
Philosophie ist dagegen eine Wissenschaft und sucht daher im weiteren Sinn nach Verifizierungen. Das Problem ist nur, dass es in vielen Bereichen der Philosophie vermutlich unmöglich ist Beweise für die Thesen zu finden.
Logik ist im Idealfall frei von Gefühlen und Wertungen. Das ist für Menschen und Sprache unmöglich und daher ist die Mathematik hier auch eigentlich die beste "Sprache". Im Universum folgt anscheinend alles der Logik. Daher ist es auch egal ob Sterne, Planeten und ähnliches entstehen oder sich vernichten. Schwierig wird das ganze erst mit dem menschlichen Bewusstsein. Denn wenn man sich seiner Existenz bewusst wird, ist es nicht mehr egal ob etwas sich gut oder schlecht anfühlt, oder ob man lebt oder stirbt.
Hier kommt die Ethik ins Spiel. Denn sobald man sich Leid und Schmerz bewusst wird, will man es normalerweise (primär bei sich) vermeiden. Als erstes durch Unterdrückung aller Bedrohungen auf das eigene Wohlbefinden. Zum Beispiel durch Reichtum und Macht. Dadurch entwickelt sich in einer Gesellschaft ein System der Kontrolle und ungleichen Machtverhältnissen. Als zweites kommt dann aber Schritt für Schritt die erweiterte Form des Bewusstseins, die auch das Leid anderer Menschen und später eventuell sogar von Tieren mit einbezieht. So wird die Gruppe deren Leid vermieden werden soll immer größer und mit der Zeit wird auch nach Gerechtigkeit innerhalb der Gruppe gesucht.
Diese Entwicklung des Bewusstseins ist allerdings ein nicht messbarer subjektiver Prozess und daher auch (noch) nicht nachweisbar. Das macht die Wissenschaftliche Weiterentwicklung der Ethik auch schwierig. Denn sie widerspricht der Logik des Universums, in der Schöpfung und Zerstörung problemlos harmonieren und ist gleichzeitig auf dünnem Eis gebaut, da das menschliche Bewusstsein bisher nicht erklärt oder bewiesen werden kann. Das einzige was dieses Fundament stärkt ist die Macht des Kollektivs. Wenn die Mehrheit der Gesellschaft etwas als richtig einordnet, dann wird sich diese Sicht auf Dauer durchsetzen. Aus dem Grund ist auch eine Regierung, in der Entscheidungen von einer Gemeinschaft getroffen werden, grundsätzlich moralischer.
Schwierig ist es jetzt natürlich bei Widersprüchen wie z.B. Gewalt zur Verteidigung und ähnlichem. Utopisch wäre natürlich eine Welt in der Jedes Individuum moralisch handelt. Aber das ist vor allem aus 2 Gründen momentan unmöglich:
Einerseits ist es für den durchschnittlichen Menschen aufgrund seiner animalischen Vergangenheit unmöglich, Gefühle wie Angst, Aggression und ähnliches komplett zu ignorieren. Und diese Gefühle sind für moralisches Handeln natürlich fatal.
Andererseits ist es unmöglich sich alles Leid anderer Lebewesen bewusst zu machen. Schmerz ist oft auch wichtig um zu lernen. Man kann versuchen rücksichtsvoll zu handeln, aber sich in andere hineinzuversetzen ist eine Kunst die nie perfekt sein wird. Doch wenn die Entwicklung eines Menschen zu einem halbwegs utopisch-moralisch handelndem Individuum vermutlich die halbe Lebenszeit beansprucht, dann sind immer sehr viele Menschen vorhanden, die die Utopie unmöglich machen.
Meine Vermutung für die Entwicklung in diesen Grundsätzlichen Fragen ist also, dass es kein "Ziel" gibt. Gerechtigkeit ist etwas das in dieser Realität immer relativ bleibt. Es wird also immer jemanden geben, dem es aus der subjektiven Perspektive gesehen "besser" geht. Denn genau wie Aggression und Angst ist auch der Neid eines dieser problematischen Gefühle.
Die Gerechtigkeit wird vermutlich zunehmen, wenn man sich die Entwicklungen in Jahrtausend Schritten vorstellt. Trotzdem verlangt es die menschliche Natur, dass es irgendwas zu erreichen gibt. Schönheit, Reichtum, Status oder ähnliches. Selbst wenn die Einkommensunterschiede dann im Extremfall dann z.B. nur noch 3.000-30.000 Euro/Monat betragen würden (auf heutige Verhältnisse bezogen), wäre das eine finanzielle Gerechtigkeit, die geradezu utopisch wäre.
In einer solchen Welt mit relativ hoher Gerechtigkeit, wäre dann natürlich idealerweise die Toleranz dank Bildung auch sehr hoch. Die einzelnen Religionen würden dann wie Dialekte einer Sprache behandelt werden. Alle sind richtig, werden akzeptiert und sind vereint durch das gemeinsame Gefühl des Glaubens an das nicht erklärbare. Und genau hier würde dann auch die Metaphysik ihren Platz finden.
Kurz gesagt: Religion ist mit dem Lagerfeuer entstanden und wird in Zukunft einen ähnlichen Stellenwert in der Gesellschaft erhalten. Es wird nie überflüssig, aber für die professionelle Anwendung gibt es bessere Ideen.
So seh ich das Ganze.